TV-Richtlinie unter Beschuß

■ IG Medien kritisiert fehlenden Urheberschutz Industrie- und Handelskammer bedauert Quotenregelung

Stuttgart/Luxemburg (ap/afp/taz) - Das sogenannte Fernsehen ohne Grenzen, auf das sich die Staaten der Europäischen Gemeinschaft geeinigt haben, birgt nach Ansicht der Industriegewerkschaft Medien deutliche Schwachstellen. In der verabschiedeten EG-Richtlinie fehlten Urheberschutzbestimmungen, die Autoren und Autorinnen vor unbezahlter Vermarktung bewahrten.

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Claudia Roth, kritisierte ebenfalls die Richtlinie, sie sei industriepolitisch motiviert. Die vollständige Öffnung des europäischen Marktes für dritt-, viert- und fünfklassige Produktionen stelle unter dem Banner der Dienstleistungsfreiheit den öffentlichen Auftrag des Mediums Fernsehen in Frage.

Demgegenüber bedauerte der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT), daß der Ministerrat sich nicht zu einem völligen Verzicht auf die Quotenregelung durchringen konnte. Der gemeinsame Fernsehmarkt müsse „nach innen und nach außen geöffnet“ sein, forderte der Spitzenverband. Die Pflicht zur Ausstrahlung bestimmter Anteile an europäischen Medienproduktionen beschneide die freie Programmgestaltung der einzelnen Sender und schränke die Konkurrenzfähigkeit von Film und Fernsehen gegenüber USA und Japan ein.

Nach langem Tausziehen hatten die Außenminister der EG am Dienstag eine Richtlinie für das „Fernsehen ohne Grenzen“ verabschiedet, die die europaweite Ausstrahlung von Fernsehsendungen über Kabel und Satellit regelt. Umstritten war bis zuletzt die sogenannte „Qotenregelung“, die den Anteil europäischer Produktionen festlegt. Die Minister verständigten sich auf eine politische Verpflichtung der EG -Länder, den Hauptteil ihrer Sendezeiten Programmen aus europäischer Produktion vorzubehalten. Rechtlich verbindlich ist diese Regelung jedoch nicht. Der französische Außenminister Roland Dumas ließ durchblicken, daß man vor allem in Hinblick auf die USA für eine solche unverbindliche Regelung votiert habe. Washington hatte angedroht, die angeblich protektionistische Regelung im Rahmen des Allgemeinen Zoll-und Handelsabkommens (GATT) anzuklagen und vor allem auch eine Unterstützung für die europäischen Normen der künftigen Fernsehgeneration HDTV (hochauflösendes TV) davon abhängig gemacht.

Bonn konnte eine Sonderklausel durchsetzen, wonach auch DDR -Fernsehprduktionen als „europäische Werke“ zählen, wenn sie von Anstalten der EG-Länder übernommen werden.

Verbindliches Recht sind dagegen die anderen Vorschriften der Richtlinie, die aller Voraussicht nach Ende 1991 in Kraft treten wird. Sie betreffen insbesondere die Werbung und den Jugendschutz. Danach dürfen Spielfilme künftig von Werbung unterbrochen werden. Allerdings darf die Werbezeit 15 Prozent der täglichen Sendezeit nicht überschreiten, und in jeder Sendestunde darf nicht mehr als zwölf Minuten Reklame gemacht werden.

Ferner wird vorgeschrieben, daß Nachrichten, Magazine über das aktuelle Zeitgeschehen, Dokumentarfilme, Sendungen religiösen Inhalts und Kinderprogramme, die eine Sendezeit von weniger als 30 Minuten haben, sowie Gottesdienstübertragungen nicht von Werbung unterbrochen werden dürfen. Werbung darf darüber hinaus nicht die Menschenwürde sowie religiöse oder politische Überzeugungen verletzen, und auch nicht Verhaltensweisen fördern, die die Gesundheit oder den Schutz der Umwelt gefährden.

Für Tabakerzeugnisse sowie für rezeptpflichtige Arzneimittel wird Reklame untersagt. Die Werbung für Alkohol wird streng eingeschränkt. Sie darf insbesondere nicht den Eindruck erwecken, Alkoholgenuß fördere sozialen oder sexuellen Erfolg. Schließlich sollen die Programme keine Sendungen enthalten, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen könnte, wie etwa Pornographie oder Gewalt.