Südkorea: Dissident verurteilt

■ Der südkoreanische Pfarrer Moon Ik Hwan muß für zehn Jahre ins Gefängnis / Er hatte Kim Il Sung in Nordkorea besucht, um über Wiedervereinigung zu sprechen

Seoul(dpa/afp/taz) - Die südkoreanischen Studenten, die die Wiedervereinung auf ihre Fahnen geschrieben haben, werden es als erneute Kampfansage bewerten. Für die Regierung scheint es eher ein Befreiungsschlag zu sein. Einer allerdings, der schnell nach hinten losgehen könnte. Mit der Verurteilung des 71jährigen Dissidenten-Pfarrer Moon Ik Hwan und des Unternehmers Yu Won Ho (59) zu zehn Jahren Haft wegen einer Reise nach Nordkorea hat die innenpolitische Situation in Südkorea gestern eine entscheidende Zäsur erfahren.

Der Pfarrer Moon Ik Hwan ist einer der herausragenden Bürgerrechtler und Führer der geistigen Elite im Land der Morgenstille. Er war 1975 politisch aktiv geworden, nachdem der damalige Diktator Park Chun Hee einen mit ihm befreundeten Journalisten umbringen ließ. In den Jahren danach arbeitete er in kleinen kirchlichen Entwicklungsprojekten in den Slums von Seoul.

Gerade in den letzten Jahren avancierte Moon jedoch zur Leitfigur des radikalen Teil der Studentenschaft. Als 1987 eine Welle von Selbstverbrennungen das angehende Olympialand erschütterten, wurde Moon damit in Zusammenhang gebracht. Nachdem die demokratische Erneuerung in dem asiatischen Land auch nach den Spielen im Sommer 1988 nicht voran ging, schloß er sich den Kräften an, die eine Wiedervereinigung des geteilten Landes als erste politische Priorität betrachteten.

Im März war Moon, begleitet von dem Unternehmer Yu, über ein Drittland nach Nordkorea gereist und hatte Gespräche mit dem nordkoranischen Partei- und Staatschef Kim Il Song geführt. Zahlreiche südkoreanische Intellektuelle waren in den Monaten danach seinem Beispiel gefolgt und hatten damit versucht, die seit 1953 währende Besuchssperre zwischen den Bruderländern zu beenden.

Das aber ist nach den „nationale Sicherheitsgesetzen“ (Anti -Kommunistengesetzen) in Seoul streng verboten und kann sogar mit der Todesstrafe geahndet werden. Beide Angeklagten seien „von ihrem sentimentalen und idealistischen Wunsch nach Wiedervereinigung (der geteilten Halbinsel) besessen“ und hätten ihre Sympathie für die Politik Nordkoreas bekundet. Dies könne weder beschönigt noch gerechtfertigt werden, begründete das Gericht sein Urteil. Ihnen war ferner vorgeworfen worden, daß sie Geld von Nordkorea erhalten hätten. Pfarrer Moon und Yu Won-Ho verließen den Gerichtssaal vor der Urteilsverkündung, um gegen die ihrer Ansicht nach parteiische Pozeßführung zu prostestieren.

Die harte Strafe für den Dissidentenpfarrer trifft Südkorea zu einer Zeit, in der die Studentenproteste wieder enorm zugenommen haben. Menschenrechtsgruppen sprechen derzeit davon, daß Präsident Roo Tae Woo mehr als 3.000 politische Gefangene hat inhaftieren lassen. Das wären weit mehr als unter seinem Vorgänger, dem früherer Diktator Chun Doo Hwan.