Kinder-Talkshow über Spritzen

■ Sicherer Drückraum und Methadon gefordert / Kinder: „Junkies sind auch Menschen!“

Die Ostertorschen Kinder sind wirklich prima. Da waren sie gestern von der Anwohnerin und selbsternannten Aktivistin Sonja von der Westhiuzen zu einer „Talkshow“ geladen, und 25 Mädchen und Jungs saßen ganz schön aufgeregt auf einem klei

nen Podium mitten im Ostertorpark vor richtigen Mikrophonen, vor der Presse, vor großen und kleinen Hunden und vor einem ganzen Kreis AnwohnerInnen. Das Thema: Spritzen auf dem Spielplatz.

Also, an den Kindern könnte sich manche Erwachsene ein Beispiel nehmen. Erstens klatschten sie höflich auch bei völlig entgegengesetzten Rede-Beiträgen. Und dann ließen sie sich auch nicht ins Bockshorn jagen. Zuerst erzählten sie, wie sie zum Beispiel mal beim Versteckspielen oder auf dem Schulhof Spritzen gefunden hätten („totale Scheiße find ich das!“) und - fast! - reingetreten wären. Aber wenn irgendwelche Anwohner und „Parkpfleger“ sich aufgeregten über „das Bild, das die Süchtigen abgeben, abstoßend für normale Menschen“, dann griffen gerade die Kinder ein und sagten, daß Drogenabhängige „irgendwie doch auch nur Menschen“ sind und daß man die „nicht behandeln soll, als ob die vom Mond kämen“. Die Schulleiterin aus der Schmidtstraße hatte eine ganze Zigarrenkiste voller alter Spritzen mit: „Die haben wir gefunden, spritzt doch nicht ausgerechnet auf dem Schulhof!“ - Das konnte einer Kinderschul-Lehrerin nicht imponieren: „Und wir sammeln noch viel mehr, aber das kann man doch mit den Kindern besprechen!“ Der Kripo-Mann fand, die Polizei könnte das Problem nicht lösen. Die meisten andern fanden, das wäre alles die

Gesellschaft schuld. Daß herumliegende Spritzen „nahezu ungefährlich“ sind, was Aids und Gelbsucht betrifft, stellte der Leiter des Hauptgesundheitsamtes, Herr Zenker, noch mal ganz klar. Manche fanden das nicht dramatisch genug: „Und die Psyche unserer Kinder?“ Die Junkies sagten, sie wollten ja selbst nicht so gern spritzen und Handtaschen klauen, aber wenn sie kein Methadon kriegen, bleibt ihnen nichts übrig.

Methadon aber oder auch den vielfach geforderten „Drückraum“ für Junkies fand Herr Zenker zu „verkürzt und einfach gedacht“. Dabei gibt es in der Schweizer Stadt Bern schon in

zwischen zwei Räume mit sterilen Spritzen, gutem Licht und Spritzen-Entsorgung.

„Wenn es die 80 obdachlosen Junkies in Bremen nicht mehr gibt, kann der Raum ja wieder dichtgemacht werden“, schlug Anwohner Banners vor. Der fand nämlich, daß alle immer reden von „gemeinsam“ und „nichts einseitig verkürzen“ und „keine Wundermittel“, aber die Junkies sterben, und keiner macht was. „Also, manche wollen hier am liebsten so ein 'Junkie -nein-danke-Schild“, fand ein Mädchen, „weil die Erwachsenen auch selbst für sich Angst haben vor Spritzen, gar nicht nur um uns.“ Susanne Paa