Kompromiß zwischen Privatisierung und Selbstverwaltung

■ Interview mit dem polnischen Industrieminister Tadeusz Syryjczyk (Solidarnosc): Weltmarktpreise für Polens Energiewirtschaft / Administrative Betriebsschließungen nicht ausgeschlossen, möglicherweise auch aus Gründen des Umweltschutzes / Einheitlichere Steuereintreibung

taz: Die derzeigige Debatte über das Budgetdefizit hat ergeben, daß die Subvention die zusätzliche Staatsverschuldung noch übersteigen. Die Rede ist von zwei Billionen Zloty (ca. 500 Mio. Mark). Ein Großteil davon geht in den Kohleabbau und die Energiewirtschaft, was nicht nur zu weiterer Umweltverschmutzung, sondern auch höherem Inflationsaufkommen führt. Wie gedenken Sie damit fertigzuwerden?

Syryjczyk: Die Kohlesubventionen entstehen aus der Differenz zwischen den Weltmarktpreisen und dem Dollarkurs des Zloty und den vom Finanzministerium festgelegten Fixpreisen für Kohle. Der Zloty-Dollarkurs wird von der Nationalbank festgelegt. Solange das Preisproblem nicht gelöst ist, und wir das Tempo des Preisanstiegs für Energie nicht bestimmen, solange werden wir auch das Problem der Subventionen für den Bergbau nicht lösen und damit auch keine Umstrukturierung dieses Komplexes bewerkstelligen. Aber den Schlüssel dazu hat natürlich nur die Regierung als Gesamtheit.

Der derzeit heiß diskutierte Sachs-Plan, benannt nach dem US-Wirtschaftsberater, der ihn für Polen aufgestellt hat, schlägt die Abschaffung aller Subventionen - mit Ausnahme der für den Wohnungsbau - und zugleich die Einführung der Zloty-Konvertibilität vor. Halten Sie ein solches Konzept für politisch durchsetzbar?

Solche Preissteigerungen, wie sie Sachs in seinem Programm zugrundelegt, wären ein schwerer Schlag für uns alle, andererseits hilft uns aber ein Spielen auf Zeit auch nicht weiter. Das ist eine Frage der Prioritäten, die die ganze Regierung entscheiden muß.

Und was ist Ihre Meinung dazu?

Unsere Preise müssen vergleichbar werden mit den Weltmarktpreisen und die Preisproportionen im Lande müssen dem entsprechen. Energieeinsparungen und Rohstoffe müssen entsprechend teuer sein, damit wir nicht wie bisher Energiesparen mit administrativen Mitteln erzwingen müssen. Das ist ja eine absurde Situation: Einerseits subventionieren wir Kohle und damit elektrische Energie und geben damit zu verstehen, daß Kohle billig ist und man sie so beliebig verbrauchen kann, andererseits versuchen wir mit Hilfe der Verwaltung die Betriebe dazu zu zwingen, Energie einzusparen.

Aber die Einführung von Marktmechanismen in der Energiewirtschaft kann zum Konkurs von Hütten, Gruben und Kraftwerke führen.

Das ist im Moment noch nicht völlig klar, weil aufgrund der Einführung der Konvertibilität die Preise so steigen werden, daß alle Betriebe in diesem Bereich zunächst effektiv werden. Nach einiger Zeit hingegen, wenn entsprechende Lohnsteigerungen und Verteuerungen anderer Waren hinzukommen, wird dies zu einer Art Liquidierung einiger Betriebe führen. Aber ich denke, das ist zur Zeit noch kein Thema. Einstweilen bewegen wir uns noch weiterhin in diesen willkürlichen Größen der Kohlefixpreise und des künstlichen Dollarkurses.

Die Regierung Rakowski wollte den Markt mit administrativen Methoden einführen.

Ich schließe das auch nicht aus. Um Marktmechanismen einzuführen, muß erst das uneffektive Potenzial angegangen werden. Um aber den Grad der Effizienz überhaupt messen zu können, braucht man schon Marktmechanismen. Diesen Teufelskreis müssen wir irgendwie aufbrechen. Eine Maßnahme, die dem Markt zugutekommt, ist sicher die Schließung unrentabler Betriebe. Dabei will ich nicht ausschließen , daß eine solche Entscheidung auch aus Gründen des Umweltschutzes erfolgen können oder auch Methoden angewandt werden, die nicht hundertprozentig mit Marktargumenten gerechtfertigt werden können. Ich bin mir bewußt, daß so etwas natürlich immer den Verdacht von Volutarismus auf sich lädt.

Ihr Ministerium bereitet ja gerade ein neues Konkursgesetz vor.

Es geht uns um eine Verschärfung der Konkurskriterien. Wir wollen das grundlegende Kriterium der Zahlungsunfähigkeit einführen.

Die bisherige Definition war liberaler und führte dazu, daß ein Konkurs für die meisten Betriebe nur eine rein theoretische Gefahr darstellte.

Im Moment begleichen viele Betriebe ihre Verbindlichkeiten nicht - wie z. B. Steuern. Nicht, weil sie nicht können, sondern weil es sich nicht lohnt. Sie benutzen bei der derzeitigen Inflationsrate ihre Schulden als billige Kredite.

Wir beobachten diese Erscheinung. Der Sejm hat sich nicht damit einverstanden erklärt, diese Steuern im Nachhinein zwangsweise einzutreiben. Es wird oft vergessen, daß die Steuerpflicht der Unternehmen ungleich ist. Privatbetriebe riskieren, wenn sie ihre Steuern nicht bezahlen, sogar die Konfiszierung von Privatvermögen, das mit der Produktion nicht in Zusammenhang steht, während Staatsbetriebe nicht einmal befürchten müssen, daß wir ihnen die Konten blockieren. Deshalb streben wir eine Vereinheitlichung der Steuereintreibung an.

Als Industrieminister werden Sie sich ja auch mit der Privatisierung von Staatsbetrieben befassen müssen. Zur Zeit wird über die verschiedenen Formen diskutiert, von der völligen Übergabe des Kapitals in die Hände der Belegschaften bis zur freien Aktienausgabe, die die möglichst schnelle Entstehung eines Kapitalmarktes ermöglichen soll. Für welche Form sind Sie denn?

Privateigentum ist sicher vorteilhafter als das Verwalten von Betrieben. Die Veränderungen müssen auf eine Art und Weise vor sich gehen, die einen schnellen Aufbau eines Kapitalmarktes mit freiem Kapitalverkehr und den Belegschaften Präferenzen beim Aktienerwerb garantiert. Wir müssen einen Kompromiß finden zwischen der Selbstverwaltung, den Wünschen der Beschäftigten, am Betriebskapital beteiligt zu werden und dem Postulat, daß das Betriebsvermögen nicht kostenlos verteilt werden kann.

Interview: Klaus Bachmann