: „Blaumeier-Ausstellung“
■ Ein Stück Lebendigkeit
Wenn sie an die Öffentlichkeit treten, die „Blaumeiers“, dann immer spektakulär. Seit etwa dreieinhalb Jahren gibt es das Projekt „Kunst und Psychiatrie“, in dem normal Verrückte und verrückt Normale gemeinsam Theater spielen, malen, zeichnen, gigantische Masken bauen, mit Ton modellieren und Musik machen. Eine Gruppe von Künstlern hat dieses „Antipsychiatrie-„Projekt gegründet, das in der Bundesrepublik einmalig ist: Nirgendwo sonst gibt es ein Atelier wie das der „Blaumeiers“, in dem Psychiatrie -Patienten außerhalb der Anstalten zusammen mit sogenannten „Gesunden“ - insgesamt sind es etwa 130 - Kunst machen, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen und die säuberliche Trennung von „verrückter“ und „normaler“ Kunst aufzuheben.
Bisher wurde das Projekt mit neun ABM-Stellen finanziert. Inzwischen ist, wie bei allen ABM-Projekten, gekürzt, beschnitten, genauer gesagt: von sieben auf vier Stellen heruntergegeizt worden. Neun Leute arbeiten jetzt mit vier bezahlten Stellen, zwei davon ABM-, die anderen beiden Werk -Verträge. Das Projekt steht also vor dem Ende. „Aber wir wollen kein ABM-Lamento“, sagt Micha Eisenbeiss, und lamentieren ist wahrlich „Blaumeiers“ Sache nicht. Es gibt wohl in Bremen kein ABM-Projekt, das sich so vital auf seine Arbeit konzentriert und so wenig Energie darauf verschwendet, sich öffentlich zu beklagen. Umso größer die Schande, daß dieses einzigartige Projekt, mit dem sich senatorische Würdenträger gerne brüsten, nun ausgehungert werden soll.
Was mit „Blaumeier“ verlorenginge, kann man ab heute abend sehen: In der Unteren Rathaushalle werden ab 19 Uhr Bilder, Masken und Skulpturen des „Blaumeier-Atelier“ ausgestellt. Und wer die Blaumeiers kennt, weiß, daß uns da anderes erwartet als Rumsteherei und Künstlereitelkeit. Wo „Blaumeier“ sich präsentiert, wird die Öffentlichkeit aufgemischt.
Sybille Simon-Zülch
Bis Dienstag, 17. Oktober, täglich von 10-18 Uhr.
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