Das völlig andere Streichquartett

■ Das „Kronos-Quartet“ mit dem ersten von drei Konzerten in „Unser Lieben Frauen“

Man kann das Unerwartete erwarten bei den Auftritten des „Kronos Quartet“: So unterschiedlich die drei Spielorte ihrer Bremer Konzerte sind - eine Kirche, die Kassenhalle der Sparkasse und am Montagabend die Schauburg - so extrem sind auch die Kontraste zwischen den einzelnen Stücken in ihrem Programm. Aber so, wie sie mit der gleichen Intensität und Virtuosität nebeneinander Neue Kammermusik, Jazz und Rockstücke spielen, schließen sie durch ihren Stil die Klammer um diese musikalischen Gegenpole. Ein Sinn fürs Abenteuerliche ist bei ihnen immer spürbar.

So spielten sie erst einmal gegen das feierliche Ambiente der Kirche an: Der erste Block des Konzerts bestand aus vier eher heiteren, jazzigen oder afrikanischen Stücken. Zuerst ein Flikkenteppich aus Partikeln der verschiedensten populären Musikstile und Klischees: das genau passend betitelte „Cat O'Nine Tails“ des New Yorker Neujazzers John Zorn. Danach eine fast naiv-wohlklingende Komposition des Afrikaners Justinian Tamusuza, die hier in einer Weltpremiere zu hören war, genauso wie die Bearbeitung eines Bluessongs von Muddy Waters, die nun fast zu sauber klang; B.B. King würde da sagen „the mud is gone“. Eine Komposition des Jazzbassisten

Charles Mingus, mit dessen improvisierten Basslinien, die transkribiert und von Joan Jeanrenaud auf dem Cello gezupft wurden, schloß diesen Block ab.

Eine viel unzugänglichere, spröde Komposition stammte von dem Polen H. M. Gorecki, der selber extra aus Polen angereist war, um die Aufführung seines Stückes zu erleben; und als er begeistert auf die Bühne kam, wirkten die sonst sehr coolen Musiker auf einmal auch ein wenig gerührt.

Nach der Pause wieder ein Schock für die Puristen, für die virtuose Musik live und handgemacht vor ihren Augen entstehen muß. Bei „Different Trains“ von Steve Reich wurden von einem Tonband kurze Sprechsequenzen, aber auch vorfabrizierte und verfremdete Musik des Quartetts selber abgespielt, sodaß die vier mit ihrem eigenen Playback spielen konnten, und so die klanglichen Grenzen des Streichquartettes sprengten.

Daß sie diese aber auch sonst schon so weit dehnten, wie es vorher kaum möglich schien, zeigten noch einmal die beiden Zugaben. „Foxy Lady“ von Jimi Hendrix als sehr schräge und aggressive Rocknummer, bei der vom Tonband ein - jeder Geisterbahn zur Ehre gereichendes - „I'm going to get you“ ertönte, und ein sehr minimalistisches, fast hypnotisch

ruhig wirkendes Stück von Arvo Paert, bei dem die wenigen Teile der Komposition im Laufe von vielen Wiederholungen dynamisch und in der Klangfarbe sehr fein nuanciert verändert wurden.

Das „Kronos Quartet“ spielt nicht nur an drei verschiedenen

Orten, sondern auch drei gänzlich verschiedene Konzerte. Man erwarte heute abend in der Schauburg nichts von dem oben Geschilderten - Just expect the unexpected. Willy Tau

Kronos zum Dritten: 20 Uhr.