Britischer Thriller im Nuklearzeitalter

■ Die sechsteilige Serie „Am Rande der Finsternis“ startet heute um 20.15 Uhr, ARD

Was braucht ein guter amerikanischer Soldat, wenn er westliche Werte in ferne Länder bringen will? Eine Golftasche, worin sich die wichtigeren Utensilien befinden, die da wären: ein paar Golfschläger, ein Schnellfeuergewehr und zwei Handgranaten. Damit kann Darius Jedburgh, ein schillernder CIA-Agent, sein Leben bestreiten und Golf spielen im Bunker, falls nicht zu viele Leichen herumliegen oder das Einlochen im Freien nur mit Luftunterstützung möglich ist. Darius Jedburgh ist Zyniker und Kämpfer, damit hat er seinem Gegenüber und späteren Wegbegleiter Ronald Craven, der Held der BBC-Serie Am Rande der Finsternis, zwei entscheidende Eigenschaften voraus.

Bevor der einfache Kriminalbeamte Craven seine Lektion lernt und mit Darius Jedburgh in eine gehei me unterirdische Wiederaufbereitungsanlage einbricht, um nachzuweisen, daß dort waffenfähiges Spaltmaterial erzeugt wird, muß er viel einstecken. Seine Tochter wird vor seinen Augen erschossen, er selbst entgeht nur knapp einem Anschlag und kommt in die Nervenklinik, weil ihm seine tote Tochter ständig in Tagträumen erscheint. Nach und nach begreift Craven, wie tief er in eine internationale Intrige hineingezogen wird; ein Geschäft mit Atommüll, in das Agenten und Atomindustrie, Gewerkschaftsbosse und Regierungsbeamte verwickelt sind. Daß Ronald Craven (Joe Don Baker) letztlich scheitert, liegt daran, daß die Lobbyisten und Atommafiosi den beiden Einzelkämpfern überlegen sind, denn sie kultivieren neben dem Zynismus einen Wesenszug, der das Überleben garantiert: die Feigheit.

Die BBC hat die Fersehserie 1984 produziert, vor Tschernobyl und bevor sich in Großbritannien nennenswerter Widerstand gegen Sellafield und andere Atomprojekte regte. Die fesselnde Dramaturgie der düsteren Nuklearvisionen und die gekonnte Verpackung der Botschaft in einem Trhiller wurden von der britischen Presse so gelobt, daß auch die Publikumsresonanz auf die Serie überraschend hoch war. In einer der schnellsten Wiederholungen der britischen Fernsehgeschichte zeigte die BBC den Film schon vier Wochen nach der Erstausstrahlung noch einmal, diesmal auf dem populären ersten Kanal.

Die komplexe Geschichte, die einmal mehr die Grenzen von Gut und Böse verwischt, beginnt ebenso konventionell wie ungewöhnlich. Ronald Cravens Tochter wirft sich vor ihren Vater, als aus dem Dunkel ein Killer seine Schrotflinte abfeuert. Doch die dramatische Zuspitzung, die man aus jeder Polizeikrimiserie kennt, ist hier mehr als nur Effekthascherei. Ausführlich und ohne die - sonst gewohnte Eile wird der Schock, das Entsetzen und die Trauer des Vaters vorgeführt. So detailliert wie in diesen ersten Szenen bleibt der Film auch dann, wenn das Tempo zunimmt und Carven in die unwirkliche Welt der unsichtbaren Bedrohung durch die „friedliche“ Kernspaltung eintaucht. Da stört es wenig, daß die fiktiven Machenschaften der Atomindustrie von Transnuklear-Skandalen und Pakistan-Bombengeschäften längst überholt sind.

Christof Boy