Die Blockade Armeniens ist noch nicht beendet

■ Wiederum schwere Auseinandersetzungen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern / Sacharow fordert Luftbrücke und ruft die armenische Gemeinde in aller Welt zur Hilfe auf / 10.000 Befürworter radikaler Reformen demonstrierten in Moskau für Jelzin

Moskau (afp/ap) - Die Auseinandersetzungen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern im Süden der Sowjetunion haben am Wochenende ein ungewöhnlich starkes Ausmaß erreicht. 'TASS‘ berichtete, bei Kämpfen zwischen den beiden Volksgruppen seien fünf Menschen verletzt worden. In dem überwiegend von Armeniern bewohnten autonomen Gebiet Berg -Karabach wurde in der Nacht zum Sonntag eine Straßenbrücke gesprengt, die Stepanakert, den Hauptort der Region, mit der aserbaidschanischen Ortschaft Tschutscha verband. Die Blockade der Verbindungswege nach Armenien besteht weiter. In dem zu Berg-Karabach gehörenden Ort Gadrout beschlagnahmten die Truppen des sowjetische Innenministeriums einen Hubschrauber, der aus Armenien gekommen war und Sprengstoff, Zünder, Granaten, Kriegswaffen sowie ein Flugabwehrgeschütz transportierte. Die Truppen stellten zudem in Tschutscha eine Gruppe von Aserbaidschanern, die zuvor ein armenisches Dorf überfallen hatten. Unter den Angehörigen der Gruppe seien auch junge Leute aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku gewesen. Sie seien in das zur aserbaidschanischen Sowjetrepublik gehörende autonome Gebiet gekommen, „um den Kampfgeist der Aserbaidschaner in Berg-Karabach zu stärken“, meldete 'TASS‘. Bei einem weiteren Überfall von Aserbaidschanern wurden die Sondertruppen des Moskauer Innenministeriums zudem in ein Feuergefecht verwickelt. 'TASS‘ berichtet ansonsten wenig über einzelne Zwischenfälle in der Region. Die ausführliche Berichterstattung der Agentur könnte von einer Verschärfung der Lage zeugen. Beobachter wollen jedoch nicht ausschließen, daß dies ein Vorzeichen für ein härteres Durchgreifen der Moskauer Truppen ist.

Noch am vergangenen Dienstag hatte der Oberste Sowjet der UdSSR in einer Resolution ultimativ gefordert, die Blockade Armeniens und Berg-Karabachs zu beenden, andernfalls würden Truppen eingesetzt. Andrej Sacharow hat am Samstag zur Einrichtung einer Luftbrücke nach Armenien mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft aufgerufen, um die Versorgungsprobleme in der kaukasischen Sowjetrepublik zu lösen. „Ich rufe die armenischen Gemeinden in der Welt und alle diejenigen auf, die besorgt sind über das Schicksal des armenischen Volkes, damit sie sich mit der sowjetischen Regierung in Kontakt setzen“, erklärte Sacharow in einem Telefongespräch.

In Moskau haben am Samstag rund 3.000 Demonstranten an einer Kundgebung zur Unterstützung radikaler Reformern teilgenommen. Die Demonstranten trugen Transparente, mit denen sie Jelzin und den zwei Staatsanwälten Telman Gdljan und Nikolai Iwanow ihre Unterstützung bekundeten.