Deutsch bis Weinen

■ Türkische Sozialarbeiterin soll deutsche Spenden für deutsche Übersiedler nicht verwalten dürfen

Frau Büyükatilla, Sie betreuen in einer ehemaligen Kaserne am Niedersachsendamm über 200 Aus- und Übersiedler. Mit wieviel Mitarbeitern?

Nikal Büyükatilla: Wir haben hier zwei Verwaltungskräfte, die halbtags arbeiten, den Heimleiter und einen Hausmeister.

Und was haben die alles zu tun?

Es geht los mit der Aufnahme, Karteikarte anlegen, man muß den Leuten erklären, welche Behördengänge für sie nötig sind. Dann müssen die Leute erstmal das nötigste, Kleidung, Geschirr usw. bekommen.

Gibt es Konflikte unter den Aus-und Übersiedlern?

Ja, es sind zwar alles Deutsche, aber die einen kommen aus Polen, die anderen aus der Sowjetunion und die dritten aus der DDR. Und die verstehen sich auch untereinander nicht. Es geht schon damit los, wie Spenden verteilt werden. Die Leute, die mit Spenden kommen, bestehen sehr oft darauf, daß sie nur für DDR-Bürger spenden wollen. Wie versuchen das zwar zu verhindern. Aber leider geht das nicht immer. Das nächste Problem sind die Gemeinschaftsküchen. Da schiebt jede Gruppe den Dreck auf die andere ab, das gleiche gilt, wenn spielende Kinder Lärm machen oder die Musik zu laut war.

Da versuchen Sie zu vermitteln?

Ja. Aber die Leute beäugen sich argwöhnisch, wer was bekommt. Jeder fühlt sich irgendwie benachteiligt und andere bevorzugt.

Konflikte zwischen Deutschen aus der DDR, Deutschen aus Polen, Deutschen aus er Sowjetunion. Zumindest eine andere Nationalität kommt hinzu. Ihre eigene. Spüren Sie das bei ihrer Arbeit manchmal?

Unter den Bewohnern hier hat es eigentlich keine Schwierigkeiten gegeben. Ich sehe zwar fremdländisch aus, ich habe dunkle Augen und schwarze Haare und bin darauf auch angesprochen worden: Als ich erklärt habe, daß ich aus der Türkei komme, war das Thema eigentlich erledigt. Probleme gibt es aber gelegentlich schon mit Leuten, die hier Spenden abgeben wollen. Am Donnerstag kam z.B. eine Frau und wollte speziell für DDR-Bürger Spenden abgeben. Der habe ich dann erklärt, daß wir niemand bevorzugen wollen, worauf die Frau mich fragte, woher ich denn überhaupt käme. Und als ich ihr erklärt hatte, daß ich aus der Türkei stamme, antwortet sie, eine Türkin habe ihr überhaupt nichts zu sagen. Sie fände es schon unerhört, daß eine Türkin überhaupt für diese Arbeit eingesetzt werde.Sie werde sich darüber in einer Eingabe beim Bremer Senat beschweren. Vermutlich würde ich die Spenden ja entwenden, um sie meinen Landsleuten zukommen zu lassen. Inzwischen habe ich erfahren, daß die Dame sich tatsächlich bei verschiedenen Behörden beschwert hat, daß eine Türkin Deutsche Übersiedler betreut.

Und wie haben Sie selbst auf diesen Widerspruch reagiert: Spendentüte in der Hand, Ausländerfeindlichkeit im Kopf?

Ich habe mich einen Moment gefragt, warum ich das überhaupt tue. Ich versuche doch nur, Deutschen zu helfen. Ehrlich gesagt, ich hab geweint.

Fragen: K.S.