Ein Feldbett mit Frühstück für zehn Mark

■ Studis sollen in TU-Tennishalle an der Waldschulallee nächtigen / Männlein und Weiblein provisorisch getrennt / Wohnungsnot der Erstsemester wird dieses Jahr schlimmer denn je / 1.005 Wohnheimplätze werden gebaut - aber erst bis 1991 fertiggestellt sein

Wer sich dort niederlassen wird, kann seinen KommilitonInnen was erzählen: Immerhin nächtigt er oder sie auf einem Boden, der bereits mit dem Schweiß des TU-Präsidenten Manfred Fricke benetzt worden ist. In einer Tennishalle der Technischen Universität (Fricke persönlich pflegt dort Tennis zu spielen) hat das Studentenwerk Notunterkünfte für wohnungssuchende StudentInnen eingerichtet.

12.000 bis 15.000 StudentInnen werden sich zum Wintersemester neu an den Berliner Hochschulen immatrikulieren. Nach Schätzungen der Wissenschaftsverwaltung kommen von ihnen etwa 4.500 aus Westdeutschland oder dem Ausland. Die Aussichten für sie, eine Wohnung zu finden, sind schlechter denn je. Schon im vorigen Wintersemester war es kaum möglich, alle Neuankömmlinge rechtzeitig mit einer Wohnung zu versorgen. Das Studentenwerk hat daher - nach zähen Verhandlungen mit der Technischen Universität - die TU-Tennishalle an der Waldschulallee zum Aufnahmelager umfunktioniert. Ein graumelierter Teppichboden ist dort ausgerollt worden, um den Neuankömmlingen eine Ahnung von behaglicher Wohnlichkeit zu vermitteln. Das übrige Ambiente ist unbehaglich genug: In mehreren Gängen sind Feldbetten aneinandergereiht worden, denen jeweils ein Schrank für die persönlichen Habseligkeiten zugeordnet ist. Die Schrankreihen begrenzen die einzelnen Gänge, so daß der einzelne „Gast“ stets einen Überblick über das Schlafverhalten von bis zu 17 KommilitonInnen hat.

Insgesamt passen 150 StudentInnen in die Halle. Frauen und Männer sollen zwar nicht strikt getrennt untergebracht werden, doch will das Studentenwerk sie auf Distanz halten, indem sie die Halle von der einen Seite mit Frauen, von der entgegengesetzten mit Männern belegt. „Irgendwann werden sie sich dann in der Mitte treffen, wenn die Halle voll wird“, so ein Sprecher des Studentenwerks.

Zehn Mark inklusive Frühstück wird ein Platz in der Waldschulallee pro Nacht kosten. Für Studentenwerksleiter Hans-Jürgen Fink kann das Wohnen dort nur eine Übergangslösung für einige Tage oder Wochen sein. An ein Studieren sei unter den Bedingungen in der Tennishalle nicht zu denken. Wer nach ein paar Wochen immer noch keine Wohnung hat, kann auf die Hilfe des Studentenwerks hoffen. „Wir werden uns bemühen, die Leute von hier aus unterzubringen“, versprach Fink auf einer gestrigen Pressekonferenz. Dabei deutete er an, daß in Härtefällen Tennishallenschläfern auch vorrangig Wohnheimplätze zugewiesen werden können.

Durch eine Prämienaktion hat das Studentenwerk in den vergangenen Wochen 250 Vermieter animiert, Wohnungen für StudentInnen bereitzustellen. Außerdem sind 25 Wohnwagen für je zwei StudentInnen bereitgestellt worden. Neue Wohnheime sind erst in zwei Jahren zu erwarten. 1.005 Wohnheimplätze will der Senat bis 1991 neu schaffen. Die Notunterkunft an der Waldschulallee (nahe dem Messegelände) hat gestern abend ihre Pforten eröffnet.

wist