Wenn Jusos eine Reise tun...

■ „Angespannte Lage in der DDR und Sowjetunion“ / Sicherheitsorgane sind nervös / Ost-West-Jugendkontakte müssen erheblich verstärkt werden

Vergangene Woche fuhren Berliner Jungsozialisten in die Städte Erfurt, Weimar und Gotha. Sie brachten eine pessimistische Einschätzung mit nach Hause. In der DDR führten sie viele Gespräche mit SED-Funktionären und Jugendlichen. Die Volkspolizei, so berichteten sie, sei wegen der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag „sehr angespannt“ und gereizt gewesen.

Bei vielen Mitglieder der „Freien Deutschen Jugend“ habe allerdings die Einsicht vorgeherrscht, daß Veränderungen in der DDR notwendig seien. Es bestehe weiterhin nur die Angst, daß diese in der jetzigen Situation nicht steuerbar seien. Es sei häufig die Ansicht vertreten worden, „im Augenblick ist nicht die Zeit“ dafür. Beim Dialog zwischen der Basis und den höheren Parteiebenen gebe es offenbar Schwierigkeiten, hieß es.

Von der Reise in der ukrainischen Hauptstadt Charkow wurde berichtet, es bestehe eine „riesige Apathie“ in der Bevölkerung hinsichtlich der „Umgestaltung“ der sowjetischen Gesellschaft. Außerdem verliere die sowjetische Jugendorganisation Komsomol viele Mitglieder und gewinne kaum neue, seit die Mitgliedschaft nicht mehr obligatorisch sei. „Man ist froh, daß man in Ruhe gelassen wird“, faßte ein Juso-Sprecher die dortige Haltung zur Perestroika zusammen. Es werde indes mehr über die Versorgungsmängel gesprochen als über die Veränderungen des politischen Klimas in der Sowjetunion.

Jugendkontakte zwischen Ost und West sollten nach Ansicht der Berliner Jungsozialisten aus dem Bundeshaushalt finanziell unterstützt werden. Sie bedürften der staatlichen Förderung in noch höherem Maße als etwa der deutsch -französische Jugendaustausch.

Das Interesse an Jugendkontakten sei in der DDR und in der Sowjetunion sehr groß, sagten Sprecher der Jusos am Montag nach Abschluß der Reise. Hemmnis für einen Ausbau solcher Kontakte sei jedoch nach wie vor der Devisenmangel.

dpa/taz