Flüchtlinge erster Klasse-betr.: Übersiedler

betr.: Übersiedler

So offen ist sie wohl noch nie zutage getreten, die Verlogenheit unserer bundesrepublikanischen Minderheitenpolitik, wie im Angesicht Zehntausender Wirtschaftsflüchtlinge aus dem anderen deutschen Staat. Für diese ist auf einmal Platz auf dem Dampfer Bundesrepublik, der anderen Asylsuchenden mit immer neuen Kniffen den Zugang verwehrt. Der Grund für die Sonderbehandlung dieser Flüchtlinge erster Klasse ist vor allem die Tatsache, daß sie deutsch reden und eine weiße Haut haben.

Zur gleichen Zeit werden Sinti und Roma vom Gelände des KZ Neuengamme vertrieben, das sie besetzt haben, um vor dem Hintergrund der Vergangenheit ihres und unseres Volkes ihr Bleiberecht in Hamburg zu erwirken. Mit welchem Recht werden die Nachkommen der TäterInnen (auch wenn sie heute im kommunistischen Teil Deutschlands leben) den Kindern der Opfer vorgezogen? (...)

Mir sind die DDR-BürgerInnen näher, die in Dresden: „Wir bleiben hier!“ skandieren oder am Prenzlauer Berg Straßenfeste organisieren und damit zeigen, daß sich etwas tun läßt, wenn nur jemand anfängt. Politische Kultur wird von denen gestaltet, die sich beteiligen und nicht von denen, die sich drücken.

Und wenn in der Asylfrage das Augenmerk wieder auf die Flüchtlinge mit braunen Gesichtern fällt, für die es dann angeblich wieder keinen Platz auf dem Dampfer Bundesrepublik gibt, dann haben wir ja jetzt gelernt, daß im Zweifelsfall immer noch einige Tausend reingehen.

Carsten Timmermann, Berlin 31