Koffer voller Farbigkeit

■ „Blaumeier„-Ausstellungseröffnung in der Unteren Rathaushalle

Ein Menschenhäuflein steht im Dunkeln vor der Unteren Rathaushalle. Und dauernd kommen noch mehr Leute, warten, bis die Tür zur Halle aufgeht. Links steht, wie immer, das „Bremer Stadtmusikanten„-Denkmal, doch rechts, direkt am Eingang, sind Blaumeiers Stadtmusikanten aufgepflanzt: die Riesenfiguren vom Zug der Blauen Karawane. „Das sind wenigstens richtige Tiere“, sagt eine Frau hinter mir, und schon spüre ich wieder das, was ich bei Blaumeiers immer empfinde, ob bei ihren Auftritten oder bei meinem Besuch im Atelier: Von diesen Leuten, von ihren lebendigen und künstlerischen Ausdrucksformen, geht etwas aus, das in verdunkelte Winkel der eigenen Seele leuchtet. Die stabile Alltags-Sicherheit wird einem fremd, man tastet vorsichtig in sich selbst herum, reißt alle Sinne auf und fühlt sich anders in der Welt. Es ist, als würde das verpuppte Innere knarren, sich unsicher in Bewegung setzen - man wird empfänglicher, verletzlicher, auf eigentümliche Weise traurig und glücklich im selben Augen-Blick.

Plötzlich: Vom Marktplatz her seltsame Töne. Figuren wie aus dem venezianischen Karneval kommen aus verschiedenen Richtungen, vollführen, mit Fackeln in der Hand, langsame Pantomimen, versammeln sich am Eingang und machen die Tür zur Rathaushalle auf. Die Menschenmenge wälzt sich hinein von draußen sieht man schon: In dieser Ausstellung wurde die Rathaushalle nicht mit Stellwänden kreuz und quer verpflastert - das Blaumeier-Atelier hat den Marktplatz -Charakter des Raumes genutzt und unterstrichen. Die Bilder hängen auf Stelltafeln an den Seitenwänden, die Blaumeier-Masken sind beweglich hängend, stehend oder auf Sockeln im Raum verteilt. Man geht auf sie zu, um sie herum, unter ihnen hindurch, und gleich am Eingang ist eine Steinplatte aus dem Boden gelöst - darunter ein Loch, in dem zwei Papp-Schweine ihr be

engtes Dasein fristen, halb tragische Leidensgestalten, halb saukomische arme Schweine.

Der Raum „gehört“ den Blaumeiers in jeder Hinsicht, gerade weil sie ihm seinen Charakter lassen: geschnitzte Holztürrahmen werden zu Rahmen der leuchtendfarbenen Bilder, in kleinen Fensternischen hängen kleine Zeichnungen und Aquarelle - die Altehrwürdigkeit der Rathaushalle kriegt eine Lebendigkeit ab, die sie sonst nicht hat - und sie schafft mit ihrer Altehrwürdigkeit einen gediegen -bremischen, großen Rahmen für die raumgreifende Bilder-und Figurenkunst des Blaumeier-Atelier.

Ein bißchen viel wurde bei dieser Eröffnung geredet: Ermunternde Worte von Vera Rüdiger als Schirmherrin der Ausstellung. Nur: Von lobenden Worten wird das Blaumeier -Atelier nicht weiterfinanziert, auch nicht von der dezidierten Absichtserklärung der Gesundheitssenatorin, dies sei wahrhaftig ein Projekt, das weiter finanziert gehöre. Der Galerist Chris Steinbrecher, als „Urgestein“ des Blaumeier-Ate

lier bezeichnet, hat sich klug zurückgehalten, zu viele Worte „über die Bilder“ zu verlieren - diesen Programmpunkt kennt man zu gut von gähnlangweiligen Vernissagen. Und schließlich sprechen die Blaumeier-Bilder - wie andere auch - für sich, zu jedem, der sie ansieht.

Es sind 46 Künstler, die ihre Bilder und Skulpturen ausstellen, doch es ist nur ein kleiner Bruch

teil dessen, was in den letzten Jahren im Blaumeier -Atelier entstanden ist. Der Riesenkoffer vom Bahnhofsspektakel zur Breminale, der gleich am Eingang steht und dem all diese Farbigkeit und Figürlichkeit entquollen ist - er soll noch viel, viel voller werden und lange halten.

Sybille Simon-Zülch

Noch bis zum 17. 10.

täglich 10-18 Uhr.