Heiße Debatten um die Zukunft des Südpols

■ Tauziehen um den 6. Kontinent: Probebohrungen via Wellington-Abkommen oder Naturpark a la Greenpeace?/Exxon in den Startlöchern/Cousteau optimistisch...

Von den 39 internationalen Delegationen, die seit Montag im Pariser „Maison de la Chimie“ konferieren, wird die Zukunft eines Kontinents abhängen. Eines Erdteils, kälter als der Mars, unbekannter als der Mond, und mit einem 2.000 Meter dicken Eispanzer überzogen, der zwei Drittel der gesamten Süßwasservorräte der Erde ausmacht. Undurchdringlich und uninteressant, dachten viele Länder. So konnten die sieben Staaten mit Gebietsanspruch auf die Antarktis 1961 leichten Herzens dem Washingtoner Abkommen zustimmen. Darin wurde allen Unterzeichnern das Recht auf freie Forschung zuerkannt. Die Antarktis sollte „demilitarisiert und denuklearisiert“ bleiben.

Nun wird das Washingtoner Abkommen 1991 auslaufen. Theoretisch würden dann die territorialen Ansprüche von Argentinien, Chile, Großbritannien, Norwegen, Neuseeland, Australien und Frankreich wieder erhoben werden können. Umso mehr, als unter dem antarktischen Eis Vorkommen an Öl und Mineralien vermutet werden. Angesichts dieser Perspektiven einigten sich im Juni 1988 alle Unterzeichnerstaaten des Antarktis-Abkommens auf einen neuen Vertragstext, eben jene „Konvention von Wellington“, über deren Schicksal nun in Paris debattiert wird. Darin wird der internationale Status der Antarktis zwar fortgeschrieben, jedoch gleichzeitig ein gesetzlicher Rahmen für die Ausbeutung möglicher Rohstoffe festgelegt: Bohrungen sind möglich, falls sie „ohne signifikante negative Auswirkungen“ auf die Umwelt seien. „Damit ist der Ausbeutung des letzten unberührten Kontinents die Tür geöffnet“, fürchtet die „Stiftung Cousteau“, die neben Greenpeace den Widerstand gegen „Wellington“ trägt. Bereits jetzt haben übrigens eiserprobte Bohrfirmen wie Exxon die Erlaubnis für Probebohrungen beantragt.

Das Abkommen tritt in Kraft, sobald es von sechzehn der 22 Erstunterzeichner vom Washingtoner Vertrag unterschrieben ist. Falls einer der Staaten mit Gebietsansprüchen nicht unterzeichnet, ist das Abkommen hinfällig, was mit dem Kurswechsel Frankreichs und Australiens der Fall ist. Nach den Ölkatastrophen der „Exxon Valdez“ in Alaska und der „Bahia Paraiso“ in der Antarktis und unter dem Druck der Öffentlichkeit zog die Regierung Rocard ihre Zustimmung zurück und fordert jetzt, so der Premier am Montag, Maßnahmen, „um die Umwelt wirksamer zu schützen, beispielsweise durch einen Naturpark“. Die USA halten dagegen an Wellington fest, ebenso wie Bonn und London. Wenn das Abkommen nicht in Kraft trete, würde der Südpol zum „rechtsfreien Raum“.