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Schöne neue Musivideowelt

■ Filmbüro zeigte Nam June Paik in der Reihe „Visuelle Musik“ des Musikfestes

Bilder lügen. Nirgends sonst wird das so deutlich wie in den experimentellen Videos. „Visuelle Musik - Musikvideo“ heißt eine Reihe von Veranstaltungen, in der das Filmbüro Bremen mit 20.000 Mark vom Bremer Musikfest in diesen Tagen einen Überblick über diese Kunstform gibt. Mit Nam June Paiks „Global Groove“ stand am Dienstag abend eines der frühen Meisterwerke dieses Genres auf dem Programm.

Paik, 1932 in Seoul geboren, hat in New York Anfang der 1973 „Global Groove“ produziert. Diese Film ist ein Vorausblick in die Zelloloid-Welt des 21. Jahrhunderts. In der „new world“ sei der TV-Führer so dick wie das Telefonbuch von Manhatten, heißt es im Vorspann programmatisch. Und dann demonstrieren die Bilder den Terror der Fernbedienung: Kaum hat sich das Auge auf ein Bild eingestellt und man beginnt Zusammenhänge zu konstruieren, „switch“

-sind wir in einer anderen Musik, in einem anderen Bild. Ob die einzelnen Einstellungen einen Zusammenhang bekommen, hängt von dem Assoziationsvermögen der Betrachter ab.

Tanz dreifach ist das Hauptmotiv: Im Bild tanzen zwei Personen, das ist das ursprüngliche Filmmaterial. Die Bilder sind mit dem tanzenden Ausschnitt des Frauen-Beines überlegt, so tanzen die Bilder in sich, und die gesamte Kamera-Einstellung bewegt sich im Rhythmus hin und weg - der Bildschirm „tanzt“ mit dem betrachtenden Auge. Mit verschiedenen Computer-Trickmischungen läßt Paik die Menschenbilder sich auflösen in Strich-Figuren, die ihrerseits abstrakte Verformungen erleiden wie auf einen Tisch gegossene Flüssigkeit, die Farben spielen mit den Figuren, als wäre es völlig beliebig, was rot und was grün und was schwarz ist. Die neue, konstruierte Welt ist zweifellos ideenreicher und „schöner“ als

unsere Realtanzbemühungen.

Andere Szenen leben mehr vom Witz des Arrangements. Da spielt Charlotte Moorman mit dem Cello-Bogen auf einer Anordnung von drei Fernseh-Apparaten. Da wird Nixons Gesicht in einer Schneckenform auf dem Bildschirm verdreht, John Cage erzählt einigermaßen banale Geschichten, eine Szene des Living Theatre kommt vor - Nam June Paik hatte remnommierte Bekannte, wie man sieht.

Von den technischen Anlagen, die ihm in New York damals zur Produktion zur Verfügung standen, träumen bremische Video -Künstler heute noch. Dank Musikfest-Geldern können sie aber international exponierte Produktionen, die sonst nur auf Festspielen zu sehen sind, einmal in Bremen zeigen.

K.W.

Heute (Do, 21 Uhr, Institut francais) gehts weiter mit Musikvideo-Mix aus den 80er Jahren, am Freitag (21 Uhr, Schauburg) werden „US-Independant„-Videos gezeigt, am Samstag „Avantgarde Music Clips“ (23 Uhr Schauburg) und Sonntag nacht (23 Uhr, Schauburg) gibt es ein „Optisches Konzert für Fofofon und Band“.

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