Ein hochkarätiger Asylant: Alfred Hrdlicka

■ Der gekündigte Künstler will nun plötzlich bleiben und nicht gehen / Er führt einen Briefwechsel mit der Wissenschaftssenatorin

Künstler, so die alte Schusterregel, sollen unbedingt beim Künstlern bleiben. Nun geschieht es jedoch gelegentlich, daß sie beim Künstlern berühmt werden; und schon sind sie eine Ware geworden, die man haben will und für einen hübschen Batzen auch kriegt. Berlin zum Beispiel hat, wie hinlänglich bekannt, den berühmten Wiener Steinbildhauer Hrdlicka eingekauft.

Der schmückte nun das Vorlesungsverzeichnis der Hochschule, nicht aber die eigens für ihn eingerichtete Werkstatt. Dort wirkte, quasi als Double, sein persönlicher Assistent Hans Sailer. „Mit ihm oder ohne mich; wenn ihr den abschießt, schießt ihr mich ab!“, hatte das Original vor Vertragsunterzeichnung gedroht. Jetzt allerdings, nach seiner Installierung als ordentlicher Professor, droht Hrdlicka sozusagen mit dem Gegenteil: mit mir oder ohne mich, der Professor bleibt! Inzwischen haben sich nämlich einesteils die Studenten mit Sailer verkracht und andernteils ist Hrdlicka von der Wissenschaftssenatorin zum 1. Oktober gekündigt worden. Weil nämlich in Wien eine zweite Professur auf ihn wartet.

Nun kann man in eine Kündigung nicht schreiben, was man denkt - „Sie verdammter Schluri, Sie eingebildeter, jetzt haben wir die Schnauze gestrichen voll. Hauen Sie ab, Mann!“ zum Beispiel - sondern man muß das, zwecks Justiziabilität, ungefähr so ausdrücken: „Der Beamte ist entlassen, wenn er ohne Zustimmung der Dienstbehörde“ woanders wohnt, als er wohnen soll: im Ausland nämlich statt am Dienstort. Bei einem geborenen, eingefleischten und seßhaften Wiener, der daraus nie einen Hehl gemacht hat, ist dieser Tatbestand allerdings unschwer nachzuweisen. Also soll er doch gehen. Im Kündigungsbrief steht weiter, daß er Widerspruch einlegen kann, was Fortzahlung des Gehaltes (200.000 Mark im Jahr) hieße; daß ihm das nur nichts nützt, weil dessen „aufschiebende Wirkung... entfällt“, wenn „die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse“ liegt. Und das wiederum tut sie, weil 1. die zu viel gezahlten Dienstbezüge dann futsch, beziehungsweise „deren Wiedereinziehung sowohl wegen ihrer Größenordnung als auch wegen Ihrer Aufenthaltsnahme im Ausland gefährdet“ wären; 2. „ein unheilbarer Vertrauensbruch“ vorliegt.

Natürlich hat Herr Hrdlicka flugs widersprochen. Und zwar, wie es die Zweiteilung in ordentliche Beamte und unordentliche Künstler verlangt, nicht paragraphenspalterisch, sondern herzhaft und unflätig: „Vielleicht wird Ihnen auch klar, daß Doktor (sic!) Kewenig mich nicht nur aus Prominentengeilheit nach Berlin berufen hat, sondern weil er, bei allem Respekt, ein wenig mehr von der Materie versteht als Sie, sehr verehrte Frau Senatorin.“ Auf die Kunst, die heilige, kommt es schließlich an. Und deshalb erlaubt sich der Künstler am Schluß seines offenen Briefes, auf seine demnächstige Ausstellung in der Staatlichen Kunsthalle hinzuweisen. Bedenkt man die prächtige Präsentation des Hrdlicka-Hickhacks, bestehend aus Vorspiel, dramatischer Zuspitzung und starkem Abgang, so kann man nicht umhin, dem Herrn Künstler auch einen sicheren Umgang mit dem Material Öffentlichkeit zuzugestehen. Jeder Manager pokert um eine hohe Abfindungssumme, wenn er geht, warum nicht auch ein kunstvoller Manager seiner selbst.

Christel Dormagen