Der schwarze Schatten aus Zehlendorf

■ „Walter Mompers Tiere der Heimat“ / Heute: Der Habicht / In West-Berlin leben zur Zeit etwa 20 dieser Tiere / Neben den Menschen ist die Wachholderdrossel der größte Feind der Greife: Sie scheißen den Habichten seit 1974 auf den Kopf...

Eine Zehlendorfer Taube löst sich aus ihrem Schlafbaum und schwebt, noch völlig schlaftrunken, in die Garageneinfahrt der Villa eines Kleinkapitalisten. Dann beginnt sie, den eßbaren Wohlstandsmüll aufzupicken, den Menschen dort liegengelassen oder weggeworfen haben, um sich etwas später erneut auf Futtersuche zu machen. Kaum ist sie in der Luft, kommt ein schwarzer Schatten herangeschossen, ein leichtes Rauschen kommt auf, dann flattern ein paar Federn auf den Asphalt. Diese Taube wird der Berliner Stadtreinigung nie wieder behilflich sein können - sie ist die Beute eines Habichts (lateinisch: Accipiter gentilis) geworden.

Etwa 20 Habichte leben zur Zeit in West-Berlin. Ihre Reviere sind in den westlichen Bezirken zu finden, wo es noch Wälder gibt, aber auch offenes Gelände sowie Büsche und Hecken. Der Bestand von Habichten nimmt in Norddeutschland seit Ende der siebziger Jahre langsam wieder zu. Bundesweit sind Habichte in der Roten Liste, aber trotzdem als „potentiell gefährdet“ eingestuft. In Berlin gab es bis Mitte der siebziger Jahre nur ein bis zwei Brutpaare der stolzen Vögel. Ende der siebziger Jahre begann ein Aufwärtstrend, so daß heute mit rund zwölf Brutpaaren gerechnet werden kann.

Der Habicht, der bis zu 60 Zentimeter groß wird, besitzt wie alle Greifvögel ein außerordentlich gutes Sehvermögen. Man kann sich vielleicht eine Vorstellung davon machen, wenn man durch einen Feldstecher mit achtfacher Vergrößerung schaut. Für uns mit bloßem Auge am Horizont gar nicht mehr sichtbar, vermag der Habicht doch noch seine Beute zu erspähen. Er mag keine langen Verfolgungsflüge. Er ist in der Lage, große Geschwindigkeiten zu entwickeln, weiter als 200 Meter verfolgt er aber keine Beute. Statt dessen taucht er plötzlich aus der Deckung auf und stößt zu.

Der Speiseplan von Habichten ist sehr variabel. Obwohl sie überwiegend von Tauben und Kaninchen leben - sie machen rund 30 Prozent ihrer Nahrung aus - kann ihre Beute recht unterschiedlich sein, was auch von der Jahreszeit abhängig ist. Krähen gehören dazu, wie auch zum Beispiel Libellen und Eichelhäher. Bis zu 67 verschiedene Beutearten hat man einmal bei einem Habichtpaar gezählt.

Habichte sind Standpaare und haben ein festes Revier. Stirbt ein Tier, entsteht ein Machtvakuum - wie man das aus der Politik auch kennt. Dann kommen zahlreiche Bewerber heran, und es dauert einige Zeit, bis ein Kandidat den Anspruch auf das Territorium durchgesetzt hat. Vielleicht ist diese zeitweilige Ansammlung von mehreren Vögel auf einer Stelle der Grund, warum man den Habichten nachsagt, in Mengen über die Fasane herzufallen.

Feinde hat der Habicht in Deutschland nur zwei: den Menschen und, wenn man so will, die Wacholderdrossel. Landwirtschaft und Städtebau schränken auf vielfältige Weise den Lebensbereich der Habichte ein. Flurbereinigungen haben Büsche, Hecken und kleine Wälder umgelegt und die Deckung für Habichte wie für die Beutetiere genommen.

Die Wacholderdrossel ist vor einiger Zeit ein Feind der Habichte, wie auch anderer Greifvögel, geworden. In Süddeutschland wird seit 1974 von dieser Spezies eine tödliche Strategie verfolgt: das Verkoten. Die Wacholderdrosseln schießen wie Bombenflieger Kot auf die Greife ab. Ist das Donnerwetter vorüber, versuchen sich die Greifvögel zu säubern, aber durch das Putzen wird der Kot sogar auf noch größere Flächen des Gefieders verteilt und es verklebt. Die Vögel können nicht mehr auffliegen und müssen verhungern. In den Hauptverbreitungsgebieten der Wacholderdrossel (Bayern und Baden Württemberg) sind die Habichte deshalb besonders gefährdet.

Rita Rabe