„Der fühlte sich in seiner Männlichkeit gekränkt“

■ Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht gegen 25jährigen Palästinenser / Angeklagter wurde von linkem Staranwalt Ströbele verteidigt / Streit zwischen Anwälten um Verteidigungsstrategie / Der Beschuldigte wurde zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt

Mit einem Schuldgeständnis des Angeklagten nahm gestern ein Vergewaltigungsprozeß vor dem Landgericht Berlin eine überraschende Wendung. Ein 25jähriger Palästinenser, Daher Faour, war angeklagt, im Mai letzten Jahres eine Frau mehrmals vergewaltigt zu haben, mit der er zuvor eine kurze Affäre hatte. Der Mann beging die Tat, nachdem die Frau die flüchtige Beziehung beenden wollte.

Verteidigt wurde der Angeklagte von Christian Ströbele. Die Nebenklägerin, die aus Angst vor dem Angeklagten nach Westdeutschland verzogen ist, vertrat Bernd Borgmann, ebenfalls als linker Anwalt bekannt. Zwischen den beiden linken Anwälten kam es zum Konflikt um die Verteidigerstrategie von Christian Ströbele.

Bis gestern hatte Faour die Vergewaltigung abgestritten. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Strafe von zwei Jahren und neun Monaten. In dieses Strafmaß ging auch eine Verurteilung wegen schwerer Körperverletzung eines anderen Mannes ein - dieser Fall wurde parallel vor derselben Strafkammer verhandelt. Diesen Mann hatte Faour - er saß angeschnallt in seinem Auto - mit einer Pistole ins Gesicht geschlagen und verletzt.

Die Nebenklägerin Karen M. wirkte während der gesamten Verhandlung völlig verängstigt. Etwa vier bis sechs Wochen vor der Vergewaltigung hatte sie Daher Faour in dem Cafe kennengelernt, wo sie damals als Aushilfskellnerin arbeitete. Sie freundeten sich flüchtig an, schliefen einmal miteinander, als Karen M. in seiner Wohnung übernachtete. Das Verhältnis wurde der Frau jedoch bald „zu eng“. Das erzählte sie ihm am Abend vor der Vergewaltigung. „Er fühlte sich auch gegenüber den anderen Ausländern, die das mitbekommen haben, in seiner Männlichkeit gekränkt“, berichtete Karen M. Wütend sei er auch gewesen, weil sie ihrem Chef gegenüber bemerkt hatte, sie seien „nur so“ zusammen.

Sie verließen in dieser Nacht noch gemeinsam das Cafe. Er setzte sie jedoch nicht vor ihrer Wohnung ab, sondern fuhr zu sich nach Hause. Karen M. berichtete, sie habe im Wagen und vor seiner Haustür „gebettelt“, daß sie nach Hause wolle. Er verlangte, daß sie „mit hoch“ komme („muß ich denn erst böse werden“). In seiner Wohnung vergewaltigte er sie zweimal. Karen M. erstatte Anzeige, benutzte danach ihre Wohnung nicht mehr. Aus Angst vor Faour zog sie sogar nach Westdeutschland, wo sie bis heute unter unbekannter Adresse lebt.

Der Angeklagte bestritt die Aussagen der Frau und benannte mehrere Zeugen, die ihm für die Tatnacht ein Alibi verschaffen sollten, und vor Gericht auch entsprechend ausgesagten. Aussagen, die auch das Gericht wenig glaubhaft fand, wie an den Fragen des Richters Basdors unschwer abzulesen war. Auf die Frage, warum Karen M. ihn denn vor Gericht der Vergewaltigung beschuldigen würde, gab Faour eine Antwort, die der Anwalt von Karen M. eine „Drogenfährte“ nannte: Karen M. sei in Drogengeschäfte verwickelt. An einem Wochenende sei sie mit einem anderen Mann nach Holland gefahren, um Drogen zu schmuggeln. Er habe gesehen, wie ihr bei der Rückkehr Geld „übergeben“ worden sei. Er, Faour, habe sie von Drogen „abhalten“ wollen, darüber hätten sie sich gestritten, und nur so könne er sich erklären, daß sie ihn nun vor Gericht beschuldige.

Karen M. bestätigte die Hollandreise, bestritt jedoch, daß ihr am Ende von ihrem Reisegefährten Geld übergeben worden sei. Christian Ströbele stellte als Verteidiger den Antrag, diesen Reisegefährten als Zeugen vorzuladen. Der Anwalt der Nebenklägerin warf Ströbele vor Gericht vor, damit „eine neue Qualität“ der Diskriminierung in Vergewaltigungsprozesse einzuführen. Die Reise nach Holland stehe in keinerlei Zusammenhang mit dem Tatvorwurf, gefragt werde nun nicht mehr nach dem Vorleben der Frau. Nun werde suggeriert, die Frau sei in „dubiose Rauschgiftgeschäfte“ verwickelt, um die Glaubwürdigkeit seiner Mandantin in Zweifel zu ziehen. Christian Ströbele wies diesen Vorwurf zurück: Mit dieser Zeugenvernehmung solle versucht werden, die Aussagen zur Übergabe des Geldbetrages und den angeblichen Streit um ihren Drogenkonsum aufzuklären. Gestern sollte der Mann vernommen werden mit dem Karen M. dieses Wochenende in Holland verbracht hatte. Durch sein überraschendes Schuldgeständnis („Die Sache ist durch die Anzeige hochgespielt worden, aber im Kern stimmt es“) war dies gegenstandlos geworden.

Verteidiger Christian Ströbele sagte, er habe „in den letzten zehn Tagen“ versucht, auf seinen Mandanten einzuwirken. (Der letzte Verhandlungstag liegt ca. zehn Tage zurück, seitdem interessierte sich erstmals auch eine Frauen -Öffentlichkeit für den Prozeß.) Ströbele plädierte für eine Strafe auf Bewährung: Bei dem Angeklagten sei ein Prozeß in Gang gekommen sei, „der so was in Zukunft ausschließt“. Das Gericht folgte dem Antrag auf Bewährung nicht, und verurteilte den Mann zu einer Gesamtstrafe von zwei Jahren und neun Monaten Gefängnis.

Ursel Sieber