Pop-Artigkeiten

■ Bernd Eichinger und Uli Edel haben Hubert Selbys Kultroman „Letzte Ausfahrt Brooklyn“ verfilmt

Die Werkstore öffnen sich, die Meute jubelt: endlich wieder Arbeit! So endet, glücklich, Letzte Ausfahrt Brooklyn. Arbeit macht frei? Soll das die deutsche Botschaft fürs internationale Publikum sein? Befreit Arbeit von den säuischen Brutalitäten, den sexistischen Erniedrigungen und Demütigungen, die Hubert Selby in seinem Roman beschreibt? Der Film legt es nahe.

Selbys gleichnamiges Buch beschwört in erbarmungslos deutlicher Sprache das Leben der Menschen am untersten Rand der Gesellschaft. Brooklyn, das ist bei ihm die Vorhölle ohne Liebe, ohne Hoffnung, ohne Solidarität. Hier herrscht der Stärkere mit Messer und Faust, regiert dumpfe Gewalt.

Eichinger und seine Mitarbeiter haben aus dem Buch, das kein Erbarmen kennt, ein bonbonfarbenes Videospielchen gemacht - „ein Tal der Tränen mit einem Hoffnungsschimmer am Horizont“. Sie benutzen dazu Titel, Personal und Motive des Buches und sogar den Autor selbst. (Mit einem kleinen Auftritt signiert er das Machwerk.) Die einzelnen Erzählungen der Vorlage werden im Drehbuch zu einer gradlinigen Geschichte zusammengeschrieben und einer einfachen Vorstellung von Unterhaltungsdramaturgie untergeordnet. Der Verflachung fällt auch der sozialsatirische Hauptteil des Buches - die Streikepisode zum Opfer: Sie ist zu Rahmenhandlung und happy ending degradiert. In der gleichen Manier werden Personen zu Abziehbildern: tralala, die Kindnutte, ist gerade noch gut für eine „Monroe der Hinterhöfe“.

Überhaupt sieht Brooklyn, obwohl der Film dort gedreht wurde, aus, als läge es bei München in den Bavaria Studios; Bitterkeit ist nur noch ein Kunstnebel. Artig wird der brutale Realismus überzuckert, daß er pop(art)ig glänzt.

Literaturverfilmung, das ist hier nur noch Beschwörungsformel. Die Kunst des Schriftstellers wird angerufen, das Prestige eines Werkes und die Ehrfurcht vor einem Kulturgut bemüht. Literaturverfilmungen sind auch so beliebt, weil sie suggerieren, man könne mit ihrer Hilfe berühmte Bücher, die zu lesen man weder Zeit noch Lust hatte, endlich auf die Schnelle kennenlernen. Ob das je funktioniert, ist die Frage, in diesem Falle aber gewiß nicht.

So quält man sich von einem Bild zum nächsten und hat viel Zeit, an Filme zu denken, die es besser machten. Zum Beispiel Walter Hills Straßen in Flammen, der sich einer ähnlich künstlichen Bildsprache bediente. In seinem Fall aber paßte sie zum Sujet, der knallbunten Pop-Operette. Wenn man jedoch Elend und Ausweglosigkeit, Gehässigkeit und Verkommenheit zum Unterhaltungstanz auffordert, wie Echinger und Edel es tun, wird zwangsläufig etwas Obszönes, Glitschiges daraus.

Gunter Göckenjan

Uli Edel: Letzte Ausfahrt Brooklyn, Produzent Bernd Eichinger, Drehbuch: Desmond Nakano, Musik: Mark Knopfler'Darsteller: Stephen Lang, Jennifer Jason Leigh, Burt Young.