„Augen klein, Ohren sehr groß“

■ Der afrikanische Großelefant Loxodonta africana Ein sehr sozialer Geselle „dem Menschen zu Nutz und Ergötzung“

„Wer einen Elefanten beherbergen will, muß große Türen haben.“ Wer würde dieser alten afrikanischen Weisheit widersprechen? Der Elefant, der größte lebende Landsäuger auf dem Erdball, imponiert wie kein anderes Tier durch seine Maße. Würde man einen afrikanischen Großelefanten am Schwanz ziehen und ihn gleichzeitig höflich bitten, seinen Rüssel auszustrecken, käme man von Rüsselspitze bis Schwanzende bei einem ausgewachsenen Bullen auf mehr als sieben Meter. Die größten Exemplare werden vier Meter hoch, sind bis zu sieben Tonnen schwer, fressen täglich fünf Zentner Futter und besitzen bis zu drei Meter lange Stoßzähne. Ansonsten: „Augen klein, Ohren sehr groß, Beine säulenartig, Haut grobfaltig“, verrät die lexikalische Kurzfassung.

Seinen Namen verdankt der Elefant dem Berg Elephas, „dieweil er ein groß Thier ist, gleichsamb wie ein Berg“. Plinius schwärmte von ihm: „Der Elephant kömmet den menschlichen Sinnen sehr nahe: Sie verstehen die Rede, arbeiten was ihnen befohlen und behalten die Künste, so sie einmahl erlernet. Ja es lässet sich an ihnen gleichsam eine Frömmigkeit und Klugheit vermuten.“

Neben der Größe und Kraft der Tiere beeindruckt vor allem ihr Sozialverhalten. Elefanten sind überaus gesellig und leben - bis auf den Alt-Bullen - im Familientrupp mit zehn bis 20 Köpfen. Mehrere Trupps schließen sich locker zu einer Herde von 50 bis 60 Tieren zusammen. Es werden aber auch Großherden von mehreren hundert, früher sogar mehr als 1.000 Tieren, beobachtet. Elefanten sind sehr friedlich und aufmerksam zueinander. Bei Verletzungen und Krankheiten wird Hilfe geleistet, Nahrung herbeischafft, Schwache werden gestützt. Nach dem Tod eines Tieres halten Elefanten längere Zeit Wache, Mütter tragen den Kalb-Kadaver manchmal mit sich. Auch das Zudecken des Kadavers mit Zweigen ist bekannt.

Mit Erreichen der Geschlechtsreife verlassen die Bullen den Muttertrupp, schließen sich zu eigenen Trupps zusammen oder begleiten einen Altbullen. Der „Alte“ ist das Leittier der Herde, weidet aber etwas abseits und kommt nur zum „Vögeln“ zurück. In Sachen Fortpflanzung ist über ein längeres Liebesspiel zu berichten mit Verfolgungsspielen, zärtlichen Liebkosungen aber auch „heftigem Gerangel“. Nach Hochbrunfteintritt „findet der s-förmige Penis die Scheide mittels Eigenbewegung“. Wo ein Altbulle fehlt, decken mehrere Jungbullen die Kuh. Eifersucht ist unbekannt. Nach 22 Monaten gibt's Nachwuchs. Elefantendamen leisten bei der Geburt gegenseitig Hebammen-Dienste. Stirbt eine Kuh wird das Junge von einer Amme angenommen und gesäugt.

Elefanten fressen mehr als 100 Pflanzenarten von Gräsern bis zu kleinen Bäumen. Als Verschwender bekannt, wird weit mehr zertrampelt und umgerissen als gefressen. Regulativ für diese Schäden sind die Herdenwanderungen. Elefanten legen große Strecken zurück und leben niemals lange Zeit auf demselben Gebiet.

Der erste Elefant nördlich der Alpen war Abul Abaz, ein Geschenk an Karl den Großen. Während die Tiere in ihrer Heimat als Last- und Arbeitstiere unschätzbare Dienste leisteten, wurden sie in Europa bis ins 19. Jahrhundert von Herrscherhäusern gehalten, um Macht und Stärke zu demonstrieren. Zugleich waren sie die großen Attraktionen von Jahrmärkten und Zirkus. Dabei kam es immer wieder zu den berüchtigten Elefanten-Katastrophen.

Legendär ist die Münchner Elefantenpanik von 1888. Durch die „vorzeitige Dampfgebung einer Lokomotive“ erschreckt, büchsten acht Elefanten aus und drangen bis zum Residenztheater vor, wo in rasender Verzweiflung Passanten mit Regenschirmen auf die Riesen eindroschen und „dadurch ihre Wildheit vermehrten“ ('Magdeburgische Zeitung‘). Fünfzehn Schwerverwundete wurden registriert, bevor die Kavallerie eintraf. Ohne Verletzungen verlief der Sturz des Elefanten Tuffi am 21. Juli 1957 aus der Wuppertaler Schwebebahn. Auch das Tier behielt nur eine Schramme am Po zurück.

Der bekannteste Elefant der Geschichte war Jumbo, ein Oschi von sechseinhalb Tonnen. Im Londoner Zoo war er Mitte des 19. Jahrhunderts das größte damals bekannte Exemplar. 1.250.000 Kinder ritten auf seinem breiten Kreuz und reichten ihm Bisquits, die er „so sanft wie der besterzogenste Pudel“ ('Times‘) aus den Kinderhänden holte. Als ihn der Zoo-Direktor an einen US-Zirkus verkaufte, brach die bislang heftige Krise der britisch-amerikanischen Beziehungen aus. Alle Zeitungen erhielten tonnenweise Leserpost und schrieben donnernde Leitartikel. Der 'Daily Telegraph‘: „Jumbos Schicksal ist besiegelt. Sein mächtiges Herz wird brechen vor Wut, Scham und Trauer, und wir werden erleben, wie er sich rächen wird an den Philistern, die ihn in Gefangenschaft und Tod führten.“ Jumbo wurde 1885 beim Verladen von einem Güterzug überfahren. Die Lokomotive und zwei Wagen entgleisten bei dem Zusammenprall.

Manfred Kriener