Unverblümter Revanchismus

■ Bundesbehörde wirbt im Jargon des Kalten Krieges schwarzrotgold für die Grenzen von 1937

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, Horst Waffenschmidt, gibt neuerdings Nachhilfeunterricht in Geographie und Geschichte. „Aus welchen Ländern kommen die Aussiedler?“ fragt er schwarz-rot -gold unterlegt in einem Faltblatt und schießt die Antwort gleich hinterher: „aus Schlesien, Oberschlesien, West- und Ostpreußen.“

Die DDR und Polen existieren auf der Landkarte des Staatssekretärs nicht. Denn die AussiedlerInnen „sind deutsche Staatsangehörige, also Deutsche wie wir im Bundesgebiet, unabhängig von den deutschen Sprachkenntnissen.“ Sie kommen „aus den deutschen Gebieten jenseits von Oder und Neiße sowie aus den deutschen Siedlungsgebieten in Ost- und Südosteuropa“ und haben „als Deutsche am meisten unter den Folgen des Krieges zu leiden.“

„Deutsche Aussiedler, Zehn Fragen - Zehn Antworten“ gibt der Sekretär und will „Vorurteile abbauen und gegenseitiges Verständnis fördern“. Und reich bebildert ist der Bogen zur besseren

Anschauung auch. „Endlich wieder als Deutsche unter Deutschen“ zeigt eine achtköpfige Aussiedlerfamilie, die ganz erwartungsvoll in die Kamera guckt. „Die erste warme Mahlzeit nach einer langen Reise“ hält eine scheinbar ausgehungerte Aussiedlergruppe fest, die erstmals mit den Segnungen bundesdeutscher Küchentechnik konfrontiert wird.

Aber der Herr Staatssekretär will ja eigentlich erklären, warum wir die Aussiedler möglichst nett aufnehmen sollen. Und nach ellenlangen Grenzziehungen im Geist und Raum von 1937 wird es ab Frage 6 doch dann langsam Zeit, zum Thema zu kommen.

Die Aussiedler werden nämlich zu einer ausgewogeneren Bevölkerungsstruktur beitragen, weil sie überwiegend im brottosozialproduktsfördernden Alter sind. Ganz nebenbei erfahren wir hier endlich auch, warum es in der Bundesrepublik so wenig Wohnungen gibt: Die „Erhöhung des verfügbaren Einkommens hat dazu geführt, daß viele Bürger eine größere Wohnung anstreben.“

„Die Aussiedler treffen hier auf völlig andere soziale Verhältnisse als in ihren Herkunftsgebieten. Bei uns müssen sie durchweg selbst abwägen und entscheiden.“

mad