Zu defensiv-betr.: "DDR: Augen zu und Grenzen dicht", taz vom 4.10.89

betr.: „DDR: Augen zu und Grenzen dicht“, taz vom 4.10.89

Im Gegensatz zum allgemeinen nationalen Schulterschluß halte ich es für positiv, daß die DDR jetzt - wenn auch Wochen zu spät - sich gegen die große, immer erfolgreichere Abwerbeaktion des BRD-Imperialismus zu schützen versucht. (...) Die DDR hätte allen Grund, sich nachdrücklicher gegen den von der BRD wie selbstverständlich praktizierten Mißbrauch diplomatischer Vertretungen zur Wehr zu setzen. Dabei sollte sie vor der Erkenntnis nicht zurückschrecken, daß die Bundesrepublik Deutschland, die Rechtsnachfolgerin des Dritten Reiches, an einigermaßen normalen völkerrechtlichen Beziehungen zum „Siebenmonatskind von Arbeiterstaat“ - so die unvergleichliche Formulierung von Arno Schmidt - herzlich wenig Interesse hat. Und für die CSSR läge es in ihrem ureigensten Interesse, bei den daraus zu ziehenden Konsequenzen die DDR nicht im Regen stehen zu lassen.

Wer dagegenhält, ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen wäre ein Rückfall in den kalten Krieg, übersieht, daß die Bundesrepublik diesen schon längst wieder praktiziert. Nur daß der Schlachtruf jetzt nicht mehr nur „Freiheit“, sondern vor allem auch „Reformen“ lautet, wobei der eine Begriff so demagogisch wie der andere verwendet wird.

Monika Özcan-Zimmerle, Stuttgart