Für die reife Frau: 'ab 40‘

■ Der Jugendkult ist out - es leben die flotten Alten! / Eine neue Zeitschrift frönt der gestandenen, gut erhaltenen Frau mit der interessanten Lebenskurve / Schöne, teure Verpackung - peinlicher Inhalt

Die Alten sind laut geworden. Sie haben eine Partei gegründet, lassen sich von den Medien als „neue Alte“ feiern und sonnen sich im Ruhm der Aufmerksamkeit. Und nun gibt es gar eine Zeitschrift, die dem Alter frönt und Frauen ab 40 in den Mittelpunkt stellt. Ein Verständigungsorgan „von, für, über Frauen“, in dem sie mitteilen wollen, „wie sie leben“ und „was sie denken“. Aus dem Stadium bloßer Selbsterfahrung und Bestätigung dürften sie eigentlich herausgewachsen sein. Immerhin gibt es 'Brigitte‘ und 'Viva‘, 'Petra‘, 'Für Sie‘ und 'Cosmopolitan‘. Allein auf die Jugend setzt keines der bunten Blätter mehr. Die Zeiten sind vorbei. Inzwischen präsentiert man den Leserinnen auch Reifes und gewährt Einblick in das Leben von gestandenen Frauen. Und 'Emma‘ zelebriert regelmäßig Lobeshymnen auf die ältere und alte Frau.

Einer Gruppe von gut einem Dutzend Frauen, die meisten von ihnen in München ansässig, scheint das nicht zu genügen. Sie haben ihr eigenes Blatt gegründet und ihm den ebenso kurzen wie schmucklosen Titel 'ab 40‘ gegeben. Zugegeben, es sind allesamt ziemlich sympathische, tüchtige Frauen, die sich im ersten, soeben erschienenen Heft zunächst einmal selbst porträtieren. Und schön sind sie auch, schön, mit viel Weichmacher fotografiert von Roswitha Pross. Sie hat die Frauen so gut ins Bild gebracht, daß sie glatt und um Jahre jünger wirken. Aber lassen wir die spitzen Bemerkungen. (Wo der Schmelz der Jugend dahin ist, ist man dankbar für derlei Kosmetik. Falten sind eben erst ab siebzig schick.) Roswitha Pross ist wirklich eine Künstlerin in ihrem Fach. Ihr Fotoessay „Industrie Erotik“ ist ein Meisterwerk, dort werden Rohre und Metallflächen zu sinnlichen Objekten, die geradezu zum Streicheln verführen. Allein für diese Bilder lohnt die Investition von zwölf Mark, die frau für diese Zeitschrift hinlegen muß. Der Rest ist Makulatur. Was da an Interviews und Texten zum Abdruck kommt, ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten.

„Ich bin jedenfalls den ganzen schmerzvollen Weg gegangen, den Frauen so oft gehen müssen, durch viele Trennungen und Verletzungen“, gesteht Ulrike Edschmid im Gespräch mit Redaktionschefin Greta Tüllmann und erzählt vom langen Weg ihrer Selbstfindung. Aber wer ist Ulrike Edschmid? Sie wird den Literaturteil der Zeitschrift 'ab 40‘ betreuen, das ist die einzige handfeste Information. Ansonsten erfahren wir viel aus dem Seelenleben einer gut erhaltenen Endvierzigerin, und das ist so interessant und gewöhnlich wie das anderer Frauen auch. Wir wissen nach zwölf Seiten, daß Ulrike Edschmid nach Studium, Studentenbewegung, Wohngemeinschaften, Liebesbeziehungen, Frauenbewegung, Trennungen, Kind und den verschiedensten Berufen und Männern endlich den passenden Partner gefunden hat. Mit ihm kann sie „im Gleichklang der Schritte Arm in Arm gehen“. Ich schwöre, so steht es da wirklich. Eine rührende Geschichte, die allenfalls Frauen ansprechen dürfte, die ihrerseits auf ein spätes Glück hoffen.

Unnötig, auf die anderen Porträts einzugehen. Die Heldinnen sind alle ebenso tapfer wie die erste und haben nach Irrungen und Wirrungen ihren Weg gefunden. Klar, daß keine Biographie gradlinig und ohne Verluste verlaufen ist. Was wäre auch ein Leben von über vierzig ohne Kurven und einschneidende Krisen?

So ist diese Zeitschrift nicht mehr und nicht weniger als das, was wir täglich erfahren, wenn wir mit Freundinnen und Müttern sprechen. Aber manches kann eben nur gesagt und nicht geschrieben werden. Die Frauenbewegung hat das einst mühsam lernen müssen. Nach der Flut der hektografierten Herzensergüssen, die teilweise sogar ihren Weg in die Verlage fanden, ist die Selbsterfahrungswelle verebbt. Wie es scheint, kommen nun die Alten und fordern Gehör - die Frauen „ab 40“. Da bleibt nicht einmal die Hoffnung auf die Zukunft. Denn erwachsen sind sie - eigentlich.

Heide Soltau

'ab 40‘, Zeitschrift von, für, über Frauen. Wie sie leben, was sie denken, wer sie sind. Heft 1, September 1989. In München erschienen und kostet 12 Mark.