Teilerfolg für die Unionsparteien

Das Bundesverfassungsgericht tagte zum kommunalen Ausländerwahlrecht  ■ K O M M E N T A R E

Was geht die höchsten Richter der Nation in Karlsruhe an, ob im fernen Husum eine neue Ampel aufgestellt wird oder die Stadt Eckernförde die Eintrittspreise fürs Freibad erhöht? Nichts, eigentlich gar nichts. Wenn sich die Bundesverfassungsrichter jetzt doch mit diesen banalen Kommunalentscheidungen beschäftigen mußten, hat das einen beschämenden Hintergrund: Daß AusländerInnen auf dieser niedrigsten aller politischen Entscheidungsebenen mitwirken könnten, ist in der Bundesrepublik schon ein skandalfähiges Politikum. Das kommunale Ausländerwahlrecht, in anderen europäischen Ländern längst selbstverständlich, wurde so zwangsläufig zum Symbol für Gegner und Befürworter. Generationen von Partei- und Gewerkschaftstagen haben die Forderung nach diesem minimalsten Mitbestimmungsrecht für AusländerInnen in ihr Programm geschrieben. Doch beschämend spät und in lächerlich amputierter Fassung ist es in Schleswig-Holstein in diesem Jahr eingeführt worden.

Daß diese Entscheidung zu einem politischen Konflikt führen würde, war absehbar und kennzeichnet die politische Atmosphäre in der BRD. Auch daß der Kernpunkt des Konflikts

-wieviel Menschsein billigt unsere Gesellschaft AusländerInnen zu? - nicht politisch entschieden wird, sondern dem Bundesverfassungsgericht als politisch -moralischem Nationalschiedsrichter übertragen worden ist, war zu befürchten.

Jetzt haben die Verfassungsrichter den Unionsparteien mit einem wenig aussagekräftigen Beschluß dennoch einen Teilerfolg beschieden. Zwar versicherten die Richter gestern, ihre Entscheidung lasse keinerlei Rückschlüsse über die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit des Ausländerwahlrechts zu. Die stünde erst im kommenden Sommer zur Debatte. Dennoch haben die Karlsruher Richter jetzt erst einmal eine Tür zugeschlagen. Denn nun können sich Konservative und vom Ausländerwahlrecht nicht überzeugte Sozialdemokraten genüßlich zum Kaffeesatzlesen in die weichen Polster der Untätigkeit zurücklehnen. Sie können sich dabei - nicht einmal zu Unrecht - darauf berufen, daß das Bundesverfassungsgericht nur selten einer einstweiligen Anordnung stattgibt, wenn es im späteren Hauptsacheverfahren eine gänzlich andere Entscheidung fällen will.

Für all jene, die ihn suchen, hat das Gericht gestern einen Wegweiser aufgestellt, der unzweideutig in eine Gesellschaft der Vergangenheit und des engstirnigen Nationalismus weist. Und nur allzugerne werden jetzt aufs Wahlvolk schielende Politiker diesem Hinweis folgen, obwohl jeder Wegweiser freistellt, sich auch für eine andere, neue Richtung zu entscheiden. Die Frage, die sich jetzt vor allem Sozialdemokraten stellen müssen, ist, wohin man gehen will.

Vera Gaserow