„Wir sind eine sozialdemokratische Bewegung“

Reformer Kazimierz Kik: Für die Gründung einer sozialdemokratischen Partei, gegen Kapitalismus-Restaurierung  ■ I N T E R V I E W

taz: Vor einigen Tagen hat die Ungarische Arbeiterpartei ihre Selbstauflösung beschlossen und sich in eine sozialistische Partei verwandelt. Ist das Vorbild für Ihre „Bewegung 8. Juli“?

Kazmierz Kik: Die Veränderungen, die in unserer Partei geschehen, gehen in die gleiche Richtung. Ich sehe auch programmatisch eine große Ähnlichkeit mit dem, was in Ungarn passiert ist. Das wäre eine optimale Lösung auch hier. Es gibt aber auch Unterschiede: Wir bauen von unten eine neue Partei auf und sind der Ansicht, daß sich im Laufe der Delegiertenwahlen zum Parteitag neue Parteiführer aus der Basis heraus zeigen werden, die wirklich glaubwürdig sind. Wir glauben, daß kein Mitglied der jetzigen Führung bei demokratischen Wahlen von einem sozialdemokratisch eingestellten Parteitag akzeptiert werden könnte.

Das heißt Spaltung der Partei?

Kommt darauf an. Wenn sie sich der Sache unterordnen und die demokratische Entscheidung anerkennen, dann kann ich mir nicht vorstellen, daß eine demokratische Partei sie hinauswerfen wird. Sie werden sicher Mitglied bleiben können, wenn auch ohne große Chancen, eine führende Rolle einnehmen zu können.

Ist die derzeitige Führung denn programmatisch auf Ihrer Seite?

Schwer zu sagen. Die Führung ist in ihrer Mehrheit sicher eine reformerische Führung - Rakowski hat ja die Reformen initiiert -, allerdings haben wir das etwas weiter getrieben, als er das vorhatte. Aber wir bemühen uns, uns nicht für die eine oder andere Person in der Führung instrumentalisieren zu lassen. Daß sie uns positiv gegenüberstehen, hängt damit zusammen, daß wir Leben in die Partei gebracht haben. Das kann wohl keine Parteiführung ablehnen.

Wohl auch, weil es ja im Moment eine Mode für alles gibt, was reformerisch ist. Fürchten Sie da nicht, daß sich der „Bewegung 8. Juli“ auch Leute anschließen, die eigentlich inhaltlich gar nichts mit Ihnen gemein haben, nur auf das richtige Pferd setzen wollen und die ganze Sache ins Unverbindliche ziehen?

Deshalb müssen wir klare, extreme Standpunkte beziehen, polarisieren, die Sache auf Messers Schneide stellen. Wir sind eine sozialdemokratische Bewegung mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben.

Was heißt das denn genau in Polen - Sozialdemokratie?

Das gleiche wie in Westeuropa. Obwohl sie bei uns wohl radikaler sein wird.

In welcher Richtung?

Bei der Vertretung der Interessen der arbeitenden Bevölkerung. Die sozialdemokratischen Parteien Westeuropas verfolgen ja, besonders da, wo sie an der Regierung sind, eine eher liberale Wirtschaftspolitik, auch wenn das nicht unbedingt auch so in den Parteiprogrammen vorgesehen ist. Bei uns wird der Schutz der Arbeiterinteressen von Anfang an Vorrang haben, besonders unter den Bedingungen der Überwindung der Wirtschaftskrise. Wir akzpetieren auch nicht die Restaurierung des Kapitalismus in Polen, während sich die westlichen sozialdemokratischen Parteien ja mit dem Kapitalismus in ihren Ländern abgefunden haben. Wir finden, es gibt noch Platz für eine spezifische Lösung zwischen dem traditionellen Kapitalismus und dem, was wir in den letzten vierzig Jahren hier hatten, eine vergesellschaftete, aber nicht verstaatlichte Wirtschaft mit gleichberechtigten privaten, genossenschaftlichen und vergesellschafteten Betrieben.

In Ihrer Erklärung heißt es, der 11. Parteitag der PVAP werde zugleich auch ihr letzter sein und zugleich der erste der neuen Partei.

Das ist unser Programm: daß sich die PVAP selbst auflöst, sich von allen negativen Elementen der Vergangenheit trennt und auf dieser Basis eine neue Partei gegründen wird. Wir glauben nicht, daß dann alle bisherigen PVAP-Mitglieder in die neue Partei eintreten werden, aber vielleicht ein Drittel davon.

Interview: Klaus Bachmann