Die PVAP ist endgültig am Ende

Reformer in der polnischen Kommunistischen Partei beschlossen: Der nächste Parteitag wird der letzte sein / PVAP soll sich auflösen / Auch der PVAP-Vorsitzend Rakowski vergleicht Entwicklung mit Ungarn / Gründung einer sozialdemokratischen Partei geplant  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

Die polnische Vereinigte Arbeiterpartei nimmt Abschied von der kommunistischen Tradition. Das erklärte ihr Vorsitzender Rakowski: „Wir entfernen uns vom Konzept einer kommunistischen Partei auf der Basis der dritten Internationale“, sagte er am Mittwoch in Moskau zum Abschluß seiner Gespräche mit der sowjetischen Führung. Beschlüsse über eine Veränderung der KP erwartet Rakowski von dem für Januar geplanten Parteitag. Dabei könne auch, ähnlich wie nun in Ungarn, über eine Änderung des Namens der Partei debattiert werden. Auch in Polen seien für die künftige politische Entwicklung sozialdemokratische Elemente denkbar. Mit dieser Einschätzung steht der Parteivorsitzende nicht allein. Auch die Reformer innerhalb der PVAP, die sich an der Warschauer Universität zu ihrem ersten landesweiten „Beinahe-Parteitag“ versammelten, debattierten über neue Perspektiven der Partei. Zu dem Treffen am Mittwoch erschienen die Politbüromitglieder Reykowski und Miller nur kurz; ZK-Sekretär Wiatr, der mit den Initiatoren der „Bewegung 8.Juli“ sympathisiert, ging nach der Mittagspause. Er ist in einer seltsamen Lage: Als ZK-Sekretär vertritt er die offizielle Linie: Einheit um jeden Preis, die von den Reformern allerdings sehen keineswegs als höchstes Gut angesehen wird: „Einheit ist nicht das Wichtigste, sondern die eigene Idendität.“ Und die sehen die Leute vom „8. Juli“ durch die bisherige Politik der PVAP gefährdet. Leszek Jaskiewicz, Geschäftsführer der Bewegung: „Wir müssen uns vom Stalinismus, Dogmatismus, von jeglicher Art von Totalitarismus, Unterdrückung der Menschenrechte distanzieren und zum Beispiel werden für innerparteiliche Demokratie.“ Viele Delegierten wollten da auch gleich noch ein paar andere Ismen über Bord werfen, vom Leninismus angefangen bis zum Marxismus. Piotr Radzikowski, Kopf einer Krakauer Reformgruppe: „Wir müssen uns trennen vom Leninismus, vom sogenannten demokratischen Zentralismus, von der Ausübung der Macht nicht aufgrund demokratischer Legitimation, sondern einer Mission unter dem Slogan der Diktatur des Proletariats. In unserer Werteskala ganz oben muß der Mensch, das Individuum stehen.“

Selbstkritik war angesagt während der Debatte: „Die PVAP repräsentiert niemanden mehr, nicht einmal mehr den Apparat“, fand ein Delegierter. Innerhalb der Partei gebe es ein enormes Interesse an den Radikalen: „Wir haben in Katowice 50 große Betriebe komplett hinter uns.“ Ein anderer zitierte aus einer Enquete: „Drei Prozent der Bevölkerung würden bei den nächsten Wahlen für die PVAP stimmen.“ Um das zu verhindern, müsse ein radikaler Bruch mit der Vergangenheit gemacht werden. Dieser Tenor bestimmte die ganze Debatte. Der Kollektivismus solle über Bord geworfen werden, die neue Partei müsse für wirtschaftliche und politische Freiheit, eine gemischte Wirtschaft, parlamentarische Demokratie, die Frauenbewegung, Ökologie sowie - Solidarnosc (und nicht etwa für die der Partei nahestehenden Gewerkschaft OPZZ) eintreten.

In ihrer Abschlußerklärung mahnten die Reformer an, wohin die Reise gehen soll: „Der 11. Parteitag der PVAP soll die Selbstauflösung der Partei beschließen und eine neue, sozialistische Partei gründen.“