Die Opposition sieht noch keinen Durchbruch

„Es geht jetzt nicht um Worte, sondern darum, daß etwas passiert“, kommentiert der Ostberliner Schriftsteller Christoph Hein gegenüber der taz die Erklärung des Politbüros. Sie sei bestenfalls eine freundliche Andeutung, daß sich möglicherweise etwas bewegt.

Mit deutlicher Skepsis bis vorsichtigem Optimismus reagiert die DDR-Opposition auf die zurückhaltenden Reformsignale aus der Führungsetage der Partei. Einen Durchbruch oppositioneller Forderungen jedenfalls sieht bislang niemand. Gemessen an der Propaganda der letzten Wochen sei die Erklärung zwar erfreulich - so Wolfgang Ullmann von der Initiative „Demokratie jetzt!“ -, doch sei sie auch „ein Versuch, an den bestehenden Strukturen nichts zu verändern und die Forderungen der Opposition erst mal zu vertagen.“

Hans-Jochen Tschiche, Sprecher des Neuen Forums in Magdeburg, sieht eine Befriedungsstrategie der Partei am Werk. Sie wolle die ambivalente Haltung der Kirchen für einen Dialog nutzen und die oppositionellen Gruppen auch weiterhin ausgrenzen. Rolf Henrich, Mitbegründer des Neuen Forums, meint gegenüber der taz, die Erklärung habe offensichtlich Ventilfunktion. Die Kampagnen der letzten Tage deuteten jedoch auch darauf hin, daß nach dem Schema „Verführte und Verführer“ die Köpfe der Bewegung gegen ihre Sympathisanten ausgespielt werden sollen.

Daß sich die Führung zu einer solchen Erklärung genötigt sehe, erklärt Henrich weiter, sei zwar ein „erster Silberstreif am Horizont“, doch wahrlich kein Anlaß zu Euphorie. Die Reaktion sei Ausdruck des Unmuts, der sich mit den „bewährten“ Mitteln nicht mehr revidieren lasse. Henrich vermißt in der SED-Erklärung den vom Neuen Forum aufgestellten Problemkatalog - und die Frage nach der Verantwortlichkeit für die Krise. Das Neue Forum müsse jetzt überlegen, wie man die Parteiführung zur Verantwortung ziehen könne.

Den Vorschlag von Rainer Eppelmann („Demokratischer Aufbruch“), eine Demonstrationspause einzulegen, bezeichnet Henrich als „aufgesetzt“. „Der gesamtgesellschaftliche Prozeß läßt sich nicht in den Köpfen bewältigen“, verteidigt er den Druck von unten - als Beschleunigungsstrategie für einen echten Reformbeginn.

Die oppositionellen Aktivitäten der letzten Wochen wertete auch Wolfgang Ullman von der Initiative „Demokratie jetzt!“ als Anstoß für die neuen Töne aus dem Politbüro. Entscheidend sei aber jetzt, ob die Partei die Opposition als Gesprächspartner anerkenne. Die Wiederentdeckung der Kirche als Gesprächspartner allein reiche nicht aus. Ullmann fordert einen „dreieckigen Tisch“, um über die Umgestaltung der DDR „von einer Bastion des kalten Krieges zu einem modernen, demokratischen Staat auf sozialistischer Grundlage“ zu verhandeln. Zudem sei man jetzt auf die neue Medienpolitik gespannt. „Wir werden das jetzt testen, wir warten auf Radio DDR, damit wir unsere Konzepte vorstellen können.“

Matthias Geis/Klaus-Helge Donath