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Im Trüben gefilmt

■ In Bremen angelaufen: „Last Exit to Brooklyn“ / Film über ein Kultbuch der 60er

„FUCKYOU FLATFOOT GO AND FUCKYASELF YASONOFABITCH....“

Nicht sehr vornehm, aber authentisch. Red Hook, Brooklyn Harbor am East River in New York City ist eine Gegend, in der so geredet wird. Da kann es durchaus vorkommen, daß eine Leiche ohne Kopf und Hände im trüben Gewässer treibt. Beim Beginn der Dreharbeiten zur Romanverfilmung von Hubert Selbys Last Exit to Brooklyn war es so. Das klingt makaber, aber das paßt zum Buch. Heute ebenso, wie in den fünfziger Jahren, in denen Selbys literarische Vorlage spielt. Eine Menge harter Sachen mutet der Autor den LeserInnen zu. Da wird haarklein beschrieben, wie ein Popel zwischen Daumen und Zeigefinger geformt wird, wie gequirlte Kotze sich mit Blut mischt und die Haare eines gequälten Menschen verklebt, von allen möglichen homo- und heterosexuellen Praktiken mal

abgesehen. Das alles spielt sich vor einem Nachkriegshintergrund ab, der geprägt ist von Streiks, sozialer Verelendung und dem Korea-Krieg - der amerikanische Alptraum eben.

Was liegt also näher, als daß ein deutscher Produzent mit einem deutschen Regisseur (Uli Edel, Christiane F. Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) diesen Stoff verfilmt? Vor 20 Jahren will der Produzent gedacht haben: „Das Buch ist ein fantastischer Filmstoff. Hart aber human. Ein Stück wirkliches Leben, aus dem man richtiges Kino machen kann.“ Eigentlich wollte er das ganze Buch verfilmen, nicht nur einzelne Episoden. 30 Millionen Mark durfte das Team ausgeben, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ist Edels zweite große Kinoarbeit meilenweit am Ziel vorbeigeschossen. Der Roman ist nur noch fragmentarisch erkennbar, allenfalls zwei Schlüsselsze

nen lassen die brutale Intensität der Vorlage erahnen. Die grausame Niederschlagung des Streiks mit einem Massenaufgebot an Komparsen und der düsteren Ausleuchtung vermittelt ansatzweise das Ausmaß an Gewalt, das die Figuren in Last Exit to Brooklyn umgibt. Gegen Ende deutet die Vergewaltigung einer jungen Prostituierten durch zwanzig betrunkene Männer die gleiche Richtung an. Doch die Wirkung verpufft. Das Entsetzen weicht der Gleichgültigkeit. Schuld daran ist die sich immer wiederholende Kameraführung, die die Handlungsstränge monotonisiert. Es kann passieren, was will, die Bildführung bleibt die

gleiche.

Mark Knopflers Filmmusik verstärkt diesen Umstand mit ihrem verkitschten Weihnachts-Pathos. Die Trostlosigkeit des Lebens in einer unmenschlichen Umwelt verkommt bei Edel zur Stilisierung der Kulisse. Hier ein bißchen Rauschgift, da eine Schwulenparty, und alles eingerahmt von Dreck. Die Charaktere bleiben blaß und das liegt bestimmt nicht an den durchweg guten SchauspielerInnen. Edel hat sich um die Psychologie der Figuren nicht genug gekümmert, jeder Schweißfleck war ihm wichtiger. Die 30 Millionen Mark hätte er lieber versaufen sollen.

Stern 1, UT 4 J.F.Sebastia

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