Keine wirklichen Problemlösungen-betr.: "Die Schonzeit für den Justizsenat ist vorbei", taz vom 4.10.89

Betr.: „Die Schonzeit für den Justizsenat ist vorbei“,

taz vom 4.10.89

Welche Hoffnungen sollen hier wieder einmal mehr bei uns geweckt werden? Da die Arbeits- und Handlungsdynamik in allen Verwaltungsbereichen mehr oder weniger gleich ist, kann ich nach achtjähriger Dienstzeit bei der Hessischen Landesfinanzverwaltung sagen, daß sich nichts bis nicht viel im Strafvollzug ändern wird. Ich weiß aus eigener (und ermüdender) Erfahrung, daß sogenannte Sondierungs-, Planungs -, Koordinations- und sonstige „Arbeitsgruppen“ eines bewirken: Die Kaffeemaschinen laufen heiß, die Aschenbecher quellen über, riesige Papierberge (Berichte, Stellungnahmen, Statements, usw.) viel pffft, aber keine wirklichen Problemlösungen!

Die Reformfähigkeit einer Verwaltung wird maßgeblich durch die verwaltungsspezifische Ruhe-Energie (Ev) eingeschränkt beziehungsweise behindert. Da Ev b x c2 ist, wobei b die Summe der in der Verwaltung wirkenden Staatsdiener und c die Lichtgeschwindigkeit ist, erreicht die Verwaltungs-Ruhe -Energie auch in kleinen Verwaltungs-Ensembles sehr schnell relativistische Werte.

Sicherlich, für die „Öffentlichkeit“ wird es einige Vorzeigeprojekte geben (wie beispielsweise der rundumerneuerte und wunderschöne C-Flügel hier in Moabit), sonst bleibt aber alles wie gehabt. Für einen Teil der Gefangenen wäre aber auch eine weitere kurzfristige „Verbesserung“ möglich: Video-Übertragungen der justitiellen Planungsgruppensitzungen. Freunde der guten Realsatire kämen zu einem ganz vorzüglichen Genuß, Szenen an die man sich immer wieder gerne erinnert.

Rolf Maus, JVA Moabit