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Nordzypern Nadirland

Der Zypriote Asil Nadir lenkt die Geschicke der türkischen Presse und beherrscht den Nordteil der Insel  ■  Von Ömer Erzeren

Er kleckert nicht, er klotzt. Der türkische Zypriot Asil Nadir machte jüngst Furore in den Wirtschaftsseiten der britischen Zeitungen. 875 Millionen Dollar blätterte er hin, um die „Del Monte Fresh Fruit“, größter Ananasproduzent und führend im Bananenhandel, aufzukaufen. Asil Nadir, der des illegalen Waffenschmuggels und des Drogenhandels bezichtigt wird, verschmäht kein legales Geschäft, wo Profite winken. Seine Polly Peck International investiert in Hotels, Spielhöllen und Staubsaugerfabriken. Der Aufsteiger wird in der Fachwelt sogar heftig gelobt. Noch bevor er zum Bananenkönig avancierte, beherrschte er schon Managementtechniken, wie sie in Bananenrepubliken üblich sind.

Das gilt besonders für den Umgang mit den Medien. „Schwere Beschuldigungen des Abgeordneten Mahmut Alinak“ hatte unlängst die türkische Nachrichtenagentur 'Anka‘ gemeldet. In einem Exklusiv-Interview hatte der Abgeordnete auf die Drogen- und Waffenconnections Nadirs hingewiesen und Staatspräsident Kenan Evren beschuldigt, auf Public -Relations-Tour für Nadir gegangen zu sein. Doch schon wenige Stunden später folgte das Dementi. „Unsere Meldung Nummer 18: 'Schwere Beschuldigungen des Abgeordneten Alinak‘ ist hiermit zurückgezogen. Wir bitten, sie nicht zu verwenden“, lief über den Ticker der 'Anka‘. Kunden hatten der Nachrichtenagentur mit Kündigung des Abos gedroht. Der Vorstand von 'Anka‘ tagte daraufhin eiligst und entschied sich für die Stornierung der Nachricht. Die Begründung für diesen Schritt war frappierend: „Wir können doch nicht das alberne Gerede eines Abgeordneten drucken“, ließ Kuvvet Basarar vom Vorstand der 'Anka‘ verlauten. Schließlich ginge es um Asil Nadir, der in den vergangenen sechs Monaten drei Tageszeitungen und einen Medienkonzern aufgekauft habe. Nadir kontrolliert bereits 25 Prozent des türkischen Medienmarktes und ist damit ein Hauptabnehmer der Agenturen.

Die auflagenstärkste Tageszeitung 'Hürriyet‘ (Die Freiheit) fehlt noch in Nadirs Imperium. „Kauf doch auch meine Zeitung für eine Trillion“, scherzte 'Hürriyet'-Eigentümer Erol Simavi während eines Cocktails mit Nadir. Dann wandte er sich dem türkischen Ministerpräsidenten Turgut Özal zu und meinte: „Du kannst Makler werden und zehn Prozent Kommission kassieren.“ 300 Millionen Dollar will Nadir zahlen, Simavi verlangt 600, heißt es in den türkischen Redaktionsstuben. Später dementierte Simavi Verkaufsabsichten. „Der Mensch verkauft doch nicht seine Freiheit“, verkündete er doppeldeutig auf Seite 1 von 'Hürriyet‘.

Türkische Zeitungen, die noch nicht dem Bananenkönig gehören, berichten wacker über die dunklen Machenschaften des Polly-Peck-Chefs Asil Nadir. Die Zeitschrift '2000'e Dogru‘ etwa wagte es, ein Interview mit dem Ex-Fahrer von Nadir, Recep Nevzat, abzudrucken. Darin packt er über die Drogendeals der Nadir-Familie aus. Zwei Milliarden TL (umgerechnet zwei Millionen Mark) wollen Nadirs Anwälte nun von der auflagenschwachen, linken Zeitschrift einklagen.

Der smarte Zypriote Nadir, der 1983 vom türkischen Geheimdienst wegen krimineller Aktivitäten als „bedenklich“ eingestuft worden war, kauft heute nicht nur Journalisten, sondern auch Militärs, Polizeichefs und Geheimdienstler auf. Der Polizeipräsident der Junta-Ära Fahri Görgülü stehen nach Aussagen der Firma genauso wie der ehemalige Izmirer Polizeichef Alpaslan Aslan und der frühere Chef der Seestreitkräfte Zahit Atakan auf der Lohnliste der Polly Peck. Jüngster Mitarbeiter, so heißt es, sei Erkan Gürvit, Spitzenkraft des türkischen Geheimdienstes MIT und Schwiegersohn des Ex-Putschisten und jetzigen Staatspräsidenten Evren.

Trotz dieser dunklen Machenschaften gibt sich Nadir gern als Mann von Welt. Mal ist er zum Dinner bei ihrer Hoheit Königin Elisabeth, mal zum Cocktail mit Ministerpräsident Özal. Auch Koskotas und der saudische Dealer Adnan Kaschoggi gehörten - früher - zu seinem Umgang. In seiner Heimat Nordzypern ist Nadir ohnehin der heimliche Herrscher. Es ist auf Nordzypern einfacher, die Besitztümer aufzuzählen, die Nadir nicht gehören, als die Liste seiner Liegenschaften.

Da die „Türkische Republik Nordzypern“ außer von der Türkei von keinem Staat der Erde anerkannt wird, müssen Kriminelle auch nirgendwohin ausgeliefert werden. Es ist ein Paradies für gesuchte Drogenhändler geworden. Daß der Staat in Nordzypern nur eine untergeordnete Filiale im Nadirland Imperium ist, versteht sich deshalb von selbst. Die von den Griechen 1974 verlassenen Orangen- und Mandarinenhaine sind Nadir vom neuen Staat zugewiesen worden. Verständlich, daß türkisch-zypriotische Zeitungen - natürlich gehören sie Nadir - gegen eine Friedenslösung anschreiben. „Sie wollen eine föderative Lösung verhindern. Polly Peck lebt vom Status quo“, sagt der türkisch-zypriotische Oppositionsführer Özker Özgür von der „Republikanischen Türkischen Partei“. Zu Besuch in der Türkei wollte er auf dem Kulturfestival in der Stadt Dikili eine Rede halten. Sein Paß wurde jedoch eingezogen. Der türkische Staat erteilte ihm ein Redeverbot. Nadirland eben.

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