„Ich will Lisbet Palme treffen“

Im Juli wurde Christer Pettersson wegen Mordes an Olof Palme verurteilt, am Freitag gab er seine erste Pressekonferenz als freier Mann / „Die Beweise reichen für eine Verurteilung nicht aus“  ■  Aus Stockholm G. Pettersson

„Du wirst einen Platz in der Geschichte Schwedens erhalten“, steht auf der Karte an dem riesigen Rosenbukett. Der drahtige Mann in dem T-Shirt von „Alcatraz-Island“ liest es schmunzelnd. Die Küsse der Rosenkavalierin nimmt er ebenso gelöst entgegen wie die Fragen des Massenaufgebots an Journalisten. Christer Pettersson, am 27.Juli vor dem Stockholmer Amtsgericht wegen Mordes an Schwedens Regierungschef Olof Palme verurteilt, gibt seine erste Pressekonferenz als freier Mann. Die sieben Richter der II. Instanz hatten am Donnerstag einstimmig beschlossen, daß Christer Pettersson „unmittelbar auf freien Fuß zu setzen ist, die vorliegenden Beweise reichen für eine Verurteilung nicht aus“. Dieser Beschluß kam für viele Beobachter nicht unerwartet. Auch in der Revision war es der Anklage nicht gelungen, mehr als den Trumpf Lisbet Palme zu präsentieren. Doch der stach offenbar nicht vor dem Oberlandesgericht, zumal die Glaubwürdigkeit von Frau Palme durch neue Zeugen der Verteidigung erheblich erschüttert worden war.

Fünf Stunden nach Bekanntgabe des Beschlusses schloß Christer Pettersson die Tür zu seiner Wohnung im Stockholmer Vorort Rotebro auf. Leibwache, neue Identität, Unterschlupf auf Zeit im In- oder Ausland hatte er abgelehnt. „Ich will so weiterleben wie bisher.“ Am ersten Abend in Freiheit besucht er - begleitet von Fernsehkameras und Mikrophonen der Reporter - mit Schnaps und Bier im Arm seinen Nachbarn Stig. Zum Kartenspielen und Wiedersehen mit seiner Katze.

Auf der Pressekonferenz am Freitag betonte er mehrmals, daß er nicht Palmes Mörder ist. Er glaubt an organisierten Mord, „vielleicht die Mafia, auf alle Fälle professionell gemacht“. Der ehemalige Schauspiel-Schüler, in der Haft zu Normalgewicht und gepflegtem Aussehen gekommen, sagt noch etwas anderes: „Ich will Lisbet Palme treffen.“ Der alerte 42jährige Frühpensionär, unter anderem wegen Totschlags vorbestraft, der während der Revisionsverhandlung leidenschaftslos 600 Personenüberfälle zugegeben hatte, um an Geld für Alkohol und Drogen zu kommen, beteuert, er könne mit Lisbet Palme fühlen.

Mit der Freilassung Petterssons - die Urteilsbegründung kommt am 2.November - geht die Odyssee der schwedischen Polizei im Fall Palme nicht zu Ende. Sie will, muß weiterermitteln, die Tatwaffe beischaffen, neue Zeugen und Beweise. Die Akteure der I. und II. Instanz sind wertlos geworden. Ihre Aussagen galten Pettersson. Das betrifft auch die Aussage der Kronzeugin Lisbet Palme.

Viele SchwedInnen haben - so erste Medien-Umfragen - nach der Freilassung Petterssons „den Glauben an ihr Rechtssystem wiedergefunden, sind stolz“. Den Glauben in die polizeilichen Ermittler haben sie längst verloren. Dreieinhalb Jahre nach dem Palme-Mord sieht die Polizeiarbeit aus wie eine Patchwork aus Dilettantismus, falschen Spuren und Anklagen, Rücktritten. Die Mehrheit glaubte nie an Pettersson als Täter. Ob Verurteilung oder nicht, der Mord an ihrem Regierungschef wäre für die Mehrheit immer ungeklärt geblieben. Die Freilassung von Pettersson macht da fast keinen Unterschied.