Dicke Luft bei den britischen Konservativen

Die Parteibasis übte auf dem 106. Parteitag der Tories in Blackpool Kritik an der Regierung / Doch die „Eiserne Lady“ hat noch keine Kratzer / Umweltfragen und Sozialabbau waren die zentralen Themen / Labour hat bei Meinungsumfragen deutlichen Vorsprung  ■  Von Ralf Sotscheck

Bei den britischen Konservativen ist die Stimmung schlecht. Das wurde auf dem 106. Parteitag deutlich, der gestern im nordenglischen Seebad Blackpool zu Ende ging. Den Tories sitzt die Labour Party im Nacken, die auf ihrem Parteitag in der Vorwoche einen gemäßigten sozialdemokratischen Kurs beschlossen hat. Meinungsumfragen der letzten Tage bestätigten Labour einen Vorsprung von sieben bis elf Prozent.

Während konservative Parteitage in der Vergangenheit Jubelveranstaltungen ohne inhaltliche Diskussionen waren, herrschte diesmal an der Parteibasis Unruhe wegen zahlreicher unpopulärer Regierungsmaßnahmen. Die für das nächste Jahr geplante Privatisierung der Wasser- und Stromindustrie, die Kopfsteuer auf Kommunalebene und die Reform des Gesundheitswesens werden von einem Großteil der Bevölkerung abgelehnt. Die Ärzteschaft befürchtet eine Aushöhlung und letztlich die Privatisierung der Gesundheitsfürsorge. Der ehemalige Verteidigungsminister Michael Heseltine, der bei den BritInnen beliebteste Kandidat für die Nachfolge von Premierministerin Margaret Thatcher, rechnete massiv mit der Regierungspolitik ab. Er forderte, daß Großbritannien endlich dem Europäischen Währungssystem beitreten solle. Kritik richtete er vor allem gegen Finanzminister Nigel Lawson, dessen Hochzinspolitik die Geschäftsleute und Hausbesitzer - Thatchers bisher treueste WählerInnen - besonders hart trifft.

Das britische Außenhandelsdefizit erreichte im August mit fast sieben Milliarden Mark eine neue Rekordmarke. Darüber hinaus geriet das britische Pfund ausgerechnet zum Beginn des Tory-Parteitags in eine Krise, die den Vertrauensverlust in die Wirtschaftspolitik der Regierung belegt. Während die 'Daily Mail‘ Lawson als „Bankrott-Kanzler“ bezeichnete, ließ sich Thatcher, der die 9.000 Delegierten gestern ein Ständchen zu ihrem 64. Geburtstag brachten, von der Kritik nicht beirren. Sie lobte Lawson für „die wundervollen Dinge, die er für Großbritannien tut“. Bei einem Arbeitsessen am Montag abend hatte sie bereits die Stärke der britischen Wirtschaft und die Höhe des Lebensstandards gepriesen.

Der Erfolg der britischen Grünen bei den Europawahlen im Juni hatte dazu geführt, daß Umweltthemen auf dem Tory -Parteitag breiten Raum einnahmen. Zu diesem Thema gab es über 150 Anträge. Christopher Patten, der seit der Regierungsumbildung im Juli dem Umweltressort vorsteht und das Image der Regierung in diesem Bereich aufbessern soll, kündigte zum nächsten Parteitag ein Weißbuch über Umweltfragen an. Vorerst sagte Patten den „Schmutzfinken“ den Kampf an: Leute, die Unrat auf die Straße werfen, sollen in Zukunft schärfer bestraft werden. Außerdem will er ein Gesetz im Parlament einbringen, das die Kommunalverwaltungen dazu verpflichtet, die Straßen sauber zu halten. BürgerInnen können dann die Verwaltung verklagen, falls sie ihrer Pflicht nicht nachkommt.

Arbeitsminister Norman Fowler trat für weitere Einschränkungen der Gewerkschaftsmacht an. Unter anderem sollen Sympathiestreiks völlig verboten werden. „Wir haben dafür gekämpft, unsere Reformen der sozialen Partnerschaft durchzusetzen. Wir werden jetzt nicht nachgeben“, sagte Fowler.

Der ehemalige Außenminister Sir Geoffrey Howe, der im Sommer auf den Posten des stellvertretenden Premierministers abgeschoben worden war, kritisierte indirekt Thatchers diktatorische Führung. „Wir müssen einen Stil finden, der der Stimmung in Großbritannien entspricht“, sagte er. Dennoch ist Thatchers Position in der Partei unumstritten. Sie wird die Partei mindestens bis zu den nächsten Wahlen in zwei Jahren führen. Ein Sieg der Labour Party ist dann keineswegs gewiß. Bisher hat Labour es noch immer geschafft, einen Vorsprung zur Mitte der Legislaturperiode wieder zu verspielen.