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Solidarität, die tötet

Über die internationalen Verwicklungen im kolumbianischen Drogenkrieg  ■ G A S T K O M M E N T A R

Wird Kolumbien den Krieg gegen die Rauschgifthändler gewinnen können?, fragen beharrlich die ausländischen Medien. Die Antwort ist eindeutig: Egal wieviel militärische Hilfe entsandt wird, Kolumbien kann einem internationalen Phänomen mit den Ausmaßen des Drogenhandels nicht den Garaus machen. Im besten Fall kann das Land die interne Gewalt bremsen, nie aber ein illegales Geschäft beendigen, das solang existiert, wie es rentabel ist. Und sollte es wirklich geschafft werden, würden aller Voraussicht nach die Rauschgifthändler einfach umziehen - wahrscheinlich nach Brasilien - oder ihre terroristischen Aktionen außerhalb Kolumbiens in Gang setzen.

Die internationale Dimension des Rauschgifthandels darf nicht ignoriert werden. Sie besteht unabhängig von dem, was mit Kolumbien geschieht. Viele Fronten des Geschäftes sind noch gar nicht angegriffen worden: der Waffenhandel etwa. Die Industriestaaten, die in den letzten Jahren zugesehen haben, wie ihre Waffenindustrie anwuchs, sind nicht nur die wichtigsten Kokainkonsumenten, sondern auch die ersten, wenn es darum geht, den kolumbianischen Drogenhändlern Waffen zu liefern; manchmal sogar legal gekauft, als ob es sich um Getreide handele, kommen die Ladungen in Kolumbien an, ohne entdeckt zu werden. Von ihrer Existenz erfährt man nur durch die Betrachtung der leeren Schußhülsen, die um die unschuldigen kolumbianischen Leichen herum liegenbleiben: An die 400 Menschen wurden 1988 von paramilitärischen und mafiosen Schwadronen bei 38 Massakern niedergemetzelt. Die mörderischen Schüsse stammen aus den halbautomatischen AR-15 -Gewehren der US-Firma Colt Industries.

Eine andere, bisher unterschätzte Front des internationalen Drogenkrieges ist das lukrative Geschäft des Dollarwaschens. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Kette der Operationen größtenteils außerhalb Kolumbiens abgewickelt wird, besonders in den Banken Panamas, der USA, der Schweiz und der Bundesrepublik. Obwohl die Antidrogengesetzgebung der USA in dieser Hinsicht neue Restriktionen aufweist, sind die Erfolge in der Bekämpfung dieses für den Rauschgifthandel lebenswichtigen Prozesses eher mager. Wo sind die ausländischen Banken, die das Geld waschen? Gibt es etwa nur kolumbianische Geld wäscher?

Was Europa anbelangt, wird weder dem Geldwaschen größere Aufmerksamkeit gewidmet noch der Kontrolle chemischer Substanzen wie Permanganat, Äther und Acetat. Die Hauptlieferanten dieser Chemikalien, ohne die die Verarbeitung des Kokablattes kaum möglich ist, sind bekannt: die USA, die Bundesrepublik, Holland, die Volksrepublik China und neuerdings Brasilien. Kolumbien wird immer wieder darüber verhört, ob das Land denn nun zu einer Bekämpfung des Rauschgifthandels entschlossen sei oder nicht. Keiner aber fragt die anderen Länder, ob sie weiterhin den Schmuggel der Chemikalien nach Kolumbien und den Andenstaaten zulassen werden.

Sicher trägt Kolumbien als Verarbeiter und Zwischenhändler im Kokaingeschäft in diesem Krieg eine große Verantwortung. Und trotz aller Schwächen, der Abwesenheit der Parteien und der halbherzigen Beteiligung der Gesellschaft am Drogenkrieg hat das Land eher recht denn schlecht die Schlacht auf sich genommen wie kein anderer Staat. Der Beweis dafür ist der hohe Blutzoll, der entrichtet wurde und weiter entrichtet wird. Vielleicht wird deshalb von uns Kolumbianern Tag für Tag mehr verlangt. Aber wer fordert von der internationalen Öffentlichkeit ihren Teil der Verantwortung ein? Sie schicken uns Waffen und Geld als Zeichen der „Solidarität mit dem tapferen Kampf Kolumbiens“ - damit wir nicht nur unseren Part in der Schlacht abwickeln, sondern auch ihren. Vorsicht mit der Solidarität, die tötet. Wieviel Tote fehlen denn noch, damit die Welt merkt, daß dieser Krieg nicht nur der Krieg Kolumbiens ist?

Maria Jimena Duzan, Mitarbeiterin der liberalen kolumbianische

Tageszeitung 'El Espectador

(Ein Chefredakteur und fünf Mitarbeiter der Zei

tung sind in den vergangenen Jahren von de

Drogenmafia ermordet worden. Der Kommenta

erschien in dieser Woche zweimal auf de

Meinungsseite von 'El Espectador‘.

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