Aoun stellt sich quer
■ Christlicher Regierungschef im Libanon hält an den Zielen seines „Befreiungskrieges“ gegen die syrischen Truppen fest
Taif/Beirut (afp) - Die wochenlange Suche nach einem Kompromiß der libanesischen Abgeordneten im saudi-arabischen Taif ist am Donnerstag abend durch einen verbalen Querschläger des christlichen Regierungschefs General Michel Aoun erneut in Verzögerung geraten. Der „Befreiungskrieg gegen den syrischen Besatzer wird nicht wegen einer Versammlung eingestellt werden, die die Ziele (dieses Krieges) fallen zu lassen versucht“, sagte der unnachgiebige General. Aouns heftige Kritik an den 62 Parlamentariern in Taif stelle jedoch nicht die Annahme des Waffenstillstands in Frage.
Die Parlamentarier der Arbeitsgruppen hatten sich in der Nacht zum Donnerstag bereits auf ein vorläufiges Grundsatzabkommen geeinigt, das eine stärkere Berücksichtigung der Moslems unter den Abgeordneten vorsah. Die Moslems sind im politischen System unterrepräsentiert. Doch am Abend verließ der christliche Abgeordnete Georges Saade in letzter Minute aus Protest den Saal. Er monierte, solange es in der Frage des syrischen Truppenrückzuges nicht zu einer Lösung komme, werde jede Einigung über Reformen in Frage gestellt.
Am Freitag morgen mußten sich die Streithähne wegen neuer Meinungsverschiedenheiten also wieder an den Verhandlungstisch setzen. Nach Ansicht von Beobachtern wollte Aoun verhindern, daß einige christliche Abgeordnete eventuell dem bloßen Rückzug der Syrer in den Westteil Libanons zustimmen, wie es der arabische Friedensplan vorsieht, während er selbst den vollkommenen Abzug fordert.
Um dem vorhersehbaren Wutausbruch Aouns vorzubeugen, hatten zwei Wortführer des christlichen Lagers öffentlich erklärt, daß die Frage des Abzugs der Syrer noch nicht angesprochen worden sei. Auf Anfrage von afp zeigten sich mehrere Abgeordnete aus den christlichen Gebieten besorgt. „Das ist ein neues Zeichen für die widersprüchlichen Druckmittel, denen wir ständig ausgesetzt sind“ und die die Debatten ernsthaft störten. Aoun, der den syrischen Besatzern am 14. März den Krieg erklärt hatte, hatte die Abgeordneten noch vor ihrer Abreise nach Taif vor einem „Verrat“ gewarnt.
