Antrittsbesuch bei Aussiedlern

■ Bremer Bürgermeister drückte Potsdamer und Danziger Hände

Bürgermeister-Besuch im Aussiedlerlager: Schön daß Sie da sind. Foto: S. Heddinga.

Sonntagmorgen 11.00, knallblauer Himmel, zwei schlammgraue Luxuslimousinen der bekannten Nobelfirma fahren am Niedersachsendamm vor. Klaus Wedemeier und Gattin lernen Bremer Aussiedler kennen. Dunkles Jacket, weißes Button-down -Hemd, Schlips. Bremens First-Lady trägt anthrazit Kariertes. Auf den Fluren der alten Kaserne erfährt der Bürgermeister, daß es an Sachmitteln für die Kinderbetreung fehlt. Außerdem gibt's Probleme bei der gerechten Verteilung der Kleiderspenden.

Der Physiotherapeut aus Potsdam tut sich schwer mit der Arbeitssuche. Klaus Wedemeier zieht eine Stelle für einen Koch aus der Tasche. Im Besucherraum wird Platz genommen, die Stuhlreihe korrigiert. Bürgernah rückt der Bürgermeister heran und läßt sein Statement ins Polnische übersetzen, in dem er um Nachsicht für den Wohnungsmangel bittet und an die Geduld appelliert. „Das Wichtigste ist ja, daß Sie erstmal hier sind.“ Wechsel in die Weltpolitik: Wedemeier warnt vor „Wiedervereinigungsgerede“, betont die Unverrückbarkeit der polnischen Westgrenze und die Autonomie der DDR, äußert Sympathie mit der Reformbewegung.

Schüchtern und zurückhaltend reagieren die Aussiedler auf die bürgermeisterliche Bitte, Fragen und Sorgen auszusprechen. Wedemeier versuchts mit Nähe. „Woher kommen Sie?“ „Gdansk!“ „Aus Danzig? Ach ja. Da kommen auch die Eltern meiner Frau her.“ Der Zimmermann hat bereits eine Stelle als Dachdecker und freut sich über das viele Geld. Die GeWoBa hat ihm auch eine Wohnung versprochen. Wie kommen die steifen Bremer an, interessiert sich der Bürgermeister. Nett, hilfsbereit'freundlich.

Aber wo sind die Probleme? „Also los! “ Wedemeier will es jetzt wissen. Dem Potsdamer Physiotherapeuten sind die Schmierereien im Bus aufgefallen. Der Zimmermann beklagt sich über die teure Miete im Heim. „120 DM pro Person, da kommt schon ganz schön was zusammen.“ Man sei ja schließlich freiwillig hier, korrigiert ihn ein Aussiedler-Kollege. Man sollte auch mit dem heißen Duschwasser sparsam umgehen, ergänzt ein anderer. Zur Vervollständigung sucht das Stadtoberhaupt noch einige der engen Zimmer auf, umgerüstete Soldatenbuden. Fernseher, Spind, drei Betten und Plüschtiere. Der Mann hat bei Klöckner Arbeit und Wohnung bekommen, die DDR-Schneiderin läßt sich zur Altenpflegerin umschulen, um eine feste Anstellung zu bekommen. Wedemeier hat wohlwollendes Verständnis. Die Familie Mrzyglodzik aus Gleiwitz wird aufgesucht. Der Georg spielt jetzt Fußball bei TSV 186O. Sie warten auf eine Wohnung seit vier Wochen. Eine Arbeit gibt's noch nicht, auch als Putzfrau nicht. Der angelernte Maschinist ist noch nicht vermittelt.

„Ist schön hier.“ Wedemeier lacht. Arbeit gibt's keine. Die Stellenangebote am schwarzen Brett verlangen nach Facharbeitern. Nur ein Text auch in polnischer Sprache. Der Bürgermeister Wedemeier bilanziert:„Also, einige haben Arbeit und Wohnung, augenscheinlich über die neue Firma. Andere nicht.“ Bevor er geht noch ein Blick in die Massenküche. Er beugt sich über einen Hühnereintopf:„Sieht aber gut aus.“

che