Kein Vorrang, ein Abwasch und viele Kommissionen

■ Seit der Lojewski-Katastrophe kurz nach der Wahl findet rot-grüne Medienpolitik trotz Zeitdrucks kaum statt / Zwei Kommissionen und Open-end-Sitzung sollen SFB- und Mediengesetz voranbringen / AL will viel, was macht die SPD mit?

Gern schwärmt Kultursenatorin Anke Martiny (SPD) vom Konzept „Medienstandort 2000“. Aber ihre Behörde kommt medienpolitisch nicht in Fahrt. Das SFB-Gesetz machen AL und SPD inzwischen ohne den Kultursenat, und auch beim Landesmediengesetz, das nach Aussagen von Martiny „keinen Vorrang“ hat, wollen die MedienpolitikerInnen der Koalitionsparteien, wenn bis Januar 1990 nichts auf dem Tisch liegt, „einen externen Juristen“ beauftragen. Außerdem verwirrt Martiny mit dem Vorschlag, das SFB-Gesetz ins Landesmediengesetz zu integrieren, was so nicht in den Koalitionsvereinbarungen steht. Am kommenden Dienstag werden die Medienkommissionen von AL und SPD ihre Vorstellungen über das SFB-Gesetz in einer „Open-end„-Sitzung beraten. Ende Oktober soll dann ein öffentliches zweitägiges Hearing mit gesellschaftlich relevanten Gruppen stattfinden. Ein Interview mit der AL-Medienpolitikerin Alice Ströver über die AL-Vorstellungen.

taz: Warum läuft die SFB-Gesetzesnovelle an Frau Martiny vorbei?

Ströver: Das ist eigentlich ganz einfach. Wir haben nicht den Eindruck, daß die Senatorin die Dringlichkeit der Novellierung erkennt.

Und wie sieht es mit dem geplanten Landesmediengesetz aus?

Hier besteht eine noch stärkere Dringlichkeit, weil am 28.August 1990 das Kabelpilotprojekt ausläuft, und es danach keine Regelungen mehr für private Anbieter gibt. Zu diesem Punkt ist noch nicht gemeinsam getagt worden, es gibt aber eine Arbeitsgruppe, die sich mit einer Bilanz des Kabelpilotprojektes beschäftigt.

Welche Punkte sind beim SFB-Gesetz die strittigsten zwischen SPD und AL?

Da ist sicherlich die Zusammensetzung des Rundfunkrats, insbesondere die Frage, ob weiter Parteienvertreter und Vertreter der Journalisten und Verleger entsandt werden sollen, also ob der Rundfunkrat verkleinert werden soll. Außerdem dürfte die Aufgabe des Intendantenprinzips strittig sein. Die AL will eine Direktorialverfassung ähnlich wie bei Radio Bremen, fünf Direktoren statt eines Intendanten. Ob die Sozialdemokraten da mitziehen, wage ich zu bezweifeln.

Was will die AL mit dem Kabelpilotprojekt machen?

Es soll beendet werden, denn es hat sich überholt. Der ehemals formulierte Innovationscharakter hat sich nicht realisiert.

Wie soll der Privatfunk in Zukunft geregelt werden?

Wir wollen zwei sachen: Mitbestimmungsregelungen sowohl für die privaten audio-visuellen Medien wie auch für die Presse, das ist am ehesten in Form von Redaktionsstatuten zu gewährleisten. Außerdem wollen wir Programmgrundsätze auch für die privaten Sender. Das Aufsichtsgremium, das den Kabelrat ersetzen wird, sollte nach unserer Ansicht aus gesellschaftlich relevanten Gruppen bestehen.

Wird das Kontrollgremium dann auch Rias TV miteinbeziehen?

Das ist ein ganz wunder Punkt, auch zwischen AL und SPD. Wir sind mit sehr umfangreichen Reformierungsvorschlägen bezüglich des Rias insgesamt in die Koalitionsverhandlungen gegangen. Heraus gekommen ist lediglich der Vorschlag, zusammen mit den Alliierten eine „Beirats„-Lösung herbeizuführen. Aber das würde nichts an der verfassungsmäßig sehr bedenklichen Grundlage ändern, auf der Rias sendet, staatsfinanziert und ohne demokratische Aufsicht.

Interview: kotte