Nöte des Übersetzers

■ Auf der Frankfurter Buchmesse klagten die Übersetzer ihr Leid Ein Vorschlag für eine Gesetzesreform

Wenn er gut ist, merkt keiner, daß er existiert, mißglücken ihm ein paar Sätze, weiß es jeder besser. Das ist Übersetzerschicksal beim Leser. Davon war bei der Pressekonferenz der Übersetzer im Verband deutscher Schriftsteller (VS) bei der Industriegewerkschaft Medien nicht die Rede. Gesprochen wurde auch nur ganz kurz davon, daß bei Rezensionen gerne der Übersetzer vergessen wird die taz macht da keine Ausnahme -, Thema war vielmehr das Verhältnis Übersetzer-Verleger.

Man erfuhr Geschichten, die den Fall Benjamin -Erben/Suhrkamp Verlag, der zu Beginn der Buchmesse ganz zu Recht der Skandal war, als honorige Ausnahme erscheinen lassen.

In einer Pressemappe wurden - aus rechtlichen Gründen ohne Namen - einige der grausigsten Fälle zusammengetragen. Eine davon: „Übersetzerin M. soll für den Verlag A. gleich eine ganze Reihe von Gedichtbänden übersetzen, für 50 Mark pro Originaldruckseite.“ Eine Mammutarbeit, eine Arbeit für gut zwei Jahre, aber M. rechnet sich auf der Basis der Druckseiten des Originals ein Honorar von 65.000 Mark aus und macht sich frohgemut ans Werk. Ausgestattet mit einem stolzen Vorschuß von 5.000 Mark dichtet sie gut zwei Jahre lang. Dann folgt auf die Manuskriptabgabe das böse Erwachen: „Originaldruckseite“ heißt nach Verlegerinterpretation plötzlich „Druckseite der deutschen Originalausgabe“. Die deutschen Seiten wurden so eng bedruckt, daß ein Gesamthonorar von 25.000 Mark herauskommt.

M.: „Da ich über zwei Jahre nur mit dem kleinen Vorschuß gearbeitet hatte, konnte ich den Kampf nicht durchstehen. Es kam zu einem Vergleich: 50 Mark pro Manuskriptseite. Ich hatte immer noch 25.000 Mark eingebüßt.“

Otto Bayer hat in seinem Beitrag in der Zeitschrift des Verbandes 'Der Übesetzer‘ eine Fülle solcher Fälle vorgestellt. Aus keinem - so der Verbandsvorsitzende Klaus Birkenhauer - wurde ein Prozeß. Die Beteiligten schlossen immer schon im Vorfeld der möglichen gerichtlichen Auseinandersetzung einen Vergleich. Die Übersetzer sind zu arm, um einen Prozeß durchstehen zu können. Einen Prozeß, dessen Ausgang - so Birkenhauer - auch überhaupt nicht abzusehen sei, da es an Präzedenzurteilen fehle. Ein schwerwiegender Faktor sei natürlich auch, daß es vielleicht ein halbes Dutzend Richter in der ganzen Bundesrepublik gebe, die wenigstens über minimale Kenntnisse auf diesem Rechtsgebiet verfügten. Rechtsanwälte mit einschlägigem Wissen dürfte es kaum mehr geben. Ein extrem glitschiges Terrain also.

Allerdings, und das sollte den Übersetzern Mut machen: Die Verleger haben nur mehr Geld und vielleicht die versierteren Anwälte, aber ganz sicher nicht des Rechtsempfinden oder gar die Gerechtigkeit auf ihrer Seite. Wenn die Gesetze sich als gar zu biegbar nach der Verlegerseite hin darstellen sollten, wenn also der Verleger tatsächlich je nach seinen Opportunitäten festlegen darf, was eine „Originaldruckseite“ ist, dann wird der Bundestag sich die einschlägigen Gesetze ansehen und sie verändern müssen, und dann wird man den großen Ganoven der Branche ein wenig auf die Finger klopfen. Das wäre auch eine lohnende Aufgabe für den Verband. Vielleicht können SPD und Grüne ja auch mal von selbst auf eine vernünftige Idee kommen.

A.W.