Walter Sisulu zurück in Soweto

Nach einem Vierteljahrhundert kommen der ehemalige ANC-Generalsekretär sowie weitere sieben Gefangenen frei / Hunderttausende feierten die Freilassung auf Demonstrationen der Cosatu / Südafrika will mit der Geste Sanktionen entgegenwirken  ■  Aus Johannesburg Hans Brandt

Walter Sisulu, der ehemalige Generalsekretär des in Südafrika verbotenen Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), ist frei. Er und sieben Mitgefangene wurden gestern im Morgengrauen in Johannesburg, Kapstadt und Port Elizabeth von Gefängnisbeamten zu Hause abgeliefert. Zu der prominentesten Gruppe politscher Gefangener, die je in Südafrika freigelassen wurden, gehören neben dem 77jährigen Sisulu auch Ahmed Kathrada (60), Elias Motsoaledi (65), Wilton Mkwayi (67), Andrew Mlangeni (63) und Jafta Masemola (60) aus Johannesburg, Raymond Mhlaba (69) aus Port Elizabeth und Oscar Mpetha (80) aus Kapstadt. Im Knast bleibt weiterhin Nelson Mandela.

Dutzende von Gratulanten und alten Kollegen strömten gestern in die Häuser der Zurückgekehrten. Vor dem Haus der Sisulus in Soweto versammelten sich Hunderte von tanzenden und singenden Jugendlichen. Die zahlreichen Journalisten wurden von jugendlichen Aktivisten, die die Häuser bewachten, kontrolliert.

Die bevorstehende Freilassung der acht war letzten Dienstag von Südafrikas Präsident Frederick De Klerk angekündigt worden, ohne daß der Zeitpunkt der Freilassung bekannt wurde. Die Ankündigung kam knapp eine Woche vor Beginn des Gipfeltreffens der Commonwealth-Staaten und sollte offenbar den Befürwortern der Verhängung weiterer Sanktionen gegen Südafrika den Wind aus den Segeln nehmen. Zudem ist Sisulu einer der engsten Kollegen des ANC-Führers Nelson Mandela, und seine Freilassung gilt als Test für die mögliche Freilassung Mandelas.

Sisulus Frau Albertina, eine Präsidentin des Oppositionsbündnisses Vereinigte Demokratische Front (UDF), war bis vor kurzem infolge des Ausnahmerechts daran gehindert worden, mit der Presse zu sprechen und sich politisch zu be tätigen. Diese Verbannung wurde Fortsetzung auf Seite 2

Reportage auf Seite 7

überraschend am Freitag aufgehoben, offenbar in Vorbereitung der Freilassungen. „Das ist eine Entwicklung, die ich gar nicht erwartet haben“, sagte Albertina Sisulu erfreut. Der ältestes Sohn Sisulus, Zwelakhe, ein promienter süafrika

nischer Journalist, bleibt allerdings verbannt. Sisulu begrüßte die vor seinem Haus versammelten Menschen mit erhobener Faust. „Die Freude dieser Menschen macht mir neuen Mut“, sagte er. Er sei bereit gewesen, im Gefängis zu sterben, doch er habe nie die Hoffnung aufgegeben. „Ich wußte, daß der Druck immer stärker wurde und ich früher oder später frei sein würde.“

Die unmittelbar bevorstehenden Freilassungen wurden am Samstag bei Demonstrationen der Gewerkschaftsföration Cosatu im ganzen Land gefeiert. Die Märsche hatten sich eigentlich gegen repressive Arbeitsgesetzgebung richten sollen.