Großes Konzert für eine Posaune

■ Albert Mangelsdorff spielte auf dem Musikfest Bremen mehrstimmig Soloposaune

In der „Kneipe“ an der Gete habe ich Albert Mangelsdorff vor jahrenden das letzte Mal in Bremen Soloposaune spielen sehen. Da kannte er den Wirt - es war wohl eine Gefälligkeit und furchtbar eng, aber gemütlich und sehr feucht. Jetzt kommt er zum hochseriösen Musikfest als gleichsam klassischer Virtuose - in allen Ehren und alleine auf der grell beleuchteten Bühne - größer könnte der Kontrast kaum sein, aber Albert war genauso, wie ich ihn von damals in beschwingter Erinnerung hatte.

Die Mode der Solokonzerte ist längst vorbei, und kaum noch ein Jazzer geht alleine auf die Bühne. Bei Albert Mangeldorff ist das ganz anders, denn er hat eine ganz eigene Technik des mehrstimmigen Posaunespiels entwickelt, die auch heute noch frisch und auch nach anderthalb Stunden nicht

monoton klingt.

Mangeldorff setzt seine Spieltechnik, mit der er Akkorde spielen kann, indem er einen Ton bläst, gleichzeitig einen darüberliegenden Ton singt, und die dabei entstehenden Obertöne kontrolliert, jetzt noch gelassener und unspektakulärer ein. Er ist keiner von den Hochleistungstechnikern, die noch zeigen müssen, was sie alles können.

Seinen Kompositionen merkt man an, mit wieviel Feingefühl, Liebe zum Detail und Aufwand sie zusammengebastelt wurden. Sie klingen so angenehm swingend, klug und ironisch wie ihre Titel es versprechen: „The loose, booze Blues“, „Mississippilehm am Schuh“ „Das pinke Ding“ oder die Ballade „Sonntagsgrau“.

Bei einigen Stücken begann er dann auch zu erzählen: das Motiv für „Pantalon“ pfiff er etwa pein

lich verzweifelt vor sich hin, als in der Umkleidekabine einer italienischen Boutique die Verkäuferin plötzlich den Vorhang aufzog, und der Öffentlichkeit seine Unterhosen präsentierte. Mangelsdorff ist auf der Bühne ein guter Entertainer, aber auch das übertreibt er nie. Und als Zugabe schaffte er ein Kunststück, das ich nicht für möglich gehalten hätte: Er gab ein „G“ vor, das überraschend kräftig und sauber von den Zuhörern gesummt im Raum schwebte und darüber blies er seine wunderschön fließenden Improvisationen, dieses eine Mal im einstimmigen, „normalen“ Posaunenton. Mangelsdorff brachte ganz undeutsch U und E Unterhaltung und ganz klassisch gespielten Jazz - unter einen Hut. Er paßt in den Konzertsaal und in die Kneipe.

Willy Taub