: „Ich wollte meine Ruhe haben“
■ Vor dem Bremer Schwurgericht: „Fortgesetzt mißhandelte“ Frau starb an Alkoholfolgen
Rosemarie C. starb in der Nacht vom 28. zum 29. 12. 1988. Warum, das soll ein Gerichtsprozess klären, der gestern vor der Großen Strafkammer im Landgericht Bremen begann.
ngeklagt, „versucht zu haben, einen Menschen zu töten, ohne ein Mörder zu sein“, ist der 45jährige Rolf-Dieter M. Die Anklage der Staatsanwaltschaft hat das Gericht bereits abgemildert. Verhandelt wird nur fortgesetzte körperliche Mißhandlung.
osi und Rolf-Dieter, beide alkoholabhängig, treffen sich im Januar 1985 bei einer Entziehungskur in Sebaldsbrück. Sie beschließen, zusammenzubleiben. Als Rosi entlassen wird, bricht er seine Kur ab und zieht mit in ihre Wohnung. Zunächst geht alles gut. Sie verstehen sich, sie trinken nicht und besuchen die Anonymen Alkoholiker. Ein Alster bei einem gemeinsamen Ausflug
ist der Anfang vom Ende. Beide fangen wieder an zu trinken. Sie im Wohnzimmer - er in der Küche. Jeder besorgt sich den Sprit selbst und versucht, den tatsächlichen Alkoholkonsum vor
Regelmäßig, all die Jahre hindurch, wird Rolf-Dieter dann gewalttätig. „Ich verliere die Kontrolle nicht ohne Grund. Nur, wenn ich mich ungerecht behandelt fühle.“ Sein „Grund“: Rosi will, daß er auszieht, erinnert ihn immer wieder daran, daß das ihre Wohnung ist. „Sie hörte einfach nicht auf.“ Um seine „Ruhe zu haben“ schlägt, würgt, tritt er sie. „Früher hatte sie schöne lange Haare“, erinnert er sich. Die hat er ausgerissen, büschelweise, „weil sie so stolz auf ihre Haare war.“ Am Tag ihres Todes hat Rosi „nur noch wenige kurze Haare.“
Gabriele W., gestern als Zeugin vor Gericht, hatte oft Verletzungen bei ihrer Schwester Rosi ge
sehen. Bläulich-schwarze, große Stellen an Armen, Beinen, Brust und Rücken, Augenver
letzungen und Tritte in den Unterleib, seien in Attesten von Ärzten festgehalten. „Wir haben alle gesagt, trenn Dich von ihm, er
chlägt Dich eines Tages tot. Aber sie kam nicht von ihm los. Er hat
ne wohl auch noch andere Seiten.“
Wir haben uns gut verstanden und hatten an gemeinsamen Wochenenden viel Spaß, wenn sie nicht getrunken hatten,“ sagt die 20jährige Tochter von Rosemarie
C. aus. Sie ist an ihrem 16. Geburtstag aus der Wohnung ihrer Mutter ausgezogen, wo sie Zeugin der Mißhandlungen geworden war. Auf die Frage des Richters,
wie es denn gewesen ist, „wenn einer auf den anderen losgegangen ist“, reagiert sie empört: „Wieso einer auf den anderen?“ Rolf-Dieter habe rot gesehen. Und was er dann gemacht habe? „Wie man das halt so macht“, sagt sie und weint.
In der Nacht vom 28. zum 29.Dezember passierte das, was immer passierte, wenn die beiden getrunken hatten. „Vertraute Geräusche von oben - dumpfes Gepoltere, nur keine Schreie und Hilferufe,“ sagt ein Nachbar aus. Es war wie immer, nur mit einem Unterschied: In dieser Nacht starb Rosemarie C.
Rolf-Dieter M. wurde festgenommen, nur einen Monat später aber wieder freigelassen, nachdem gerichtsmedizinisch festgestellt worden war, daß nicht die Mißhandlungen sondern der Alkoholismus in Zusammenhang
it der Diabeteserkrankung von Rosi C. Todesursache ist.
Inzwischen sitzt Rolf-Dieter wieder in U-Haft. Denn nach seiner Entlassung lernte er in der Suchtklinik Sebaldsbrück eine Frau kennen, zog zu ihr nach Oldenburg, trank wieder, verprügelte und würgte sie... Ein weiterer Prozess in Oldenburg ist deswegen anhängig.
mb
Prozess wird Montag fortgesetzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen