Faschismus-Nostalgie unter Italiens Sozialisten

Die Partei Bettino Craxis entdeckt die „glücklichen Jahre“ unter Mussolini / Immer beunruhigendere Signale des Autoriatismus im PSI / Dealer und Drogenabhängige sollen hinter Gitter, während sich die Partei immer pompöser unter monumentalem Popanz präsentiert  ■  Aus Rom Werner Raith

Daß Italiens Rekordhalter als Langzeit-Ministerpräsident, dem Sozialist Bettino Craxi (1983 bis 1987), ein deutlicher Hang zu autoritärem Verhalten eigen ist, haben die Italiener nicht erst jetzt entdeckt. Der Star-Karikaturist von 'La Repubblica‘, Forattini, zeichnet den PSI-Oberen nicht zufällig immer in schwarzem Hemd und Stiefeln nach Mussolini -Art. Craxi empörte sich zwar mächtig und drohte gar mit einer Strafanzeige.

Doch so ganz unrecht scheint der freche Zeichner auch wieder nicht zu haben - Craxis engste Mitarbeiter liefern gerade eben wieder den Beweis. Der vor zwei Monaten vom PSI -Chef persönlich in den Sattel eines Programmdirektors im von den Sozialisten kontrollierten zweiten Fernsehkanal Raidue gehobene Giampaolo Sodano hat in der vergangenen Woche bei der Vorstellung der Attraktionen für das kommende Jahr eine Sendung im Zyklus Come eravamo (So waren wir einst) angekündigt, die die „glücklichen Jahre des Faschismus“ darstellen sollen, von 1935 bis 1940. „Wahrhaft ein Meisterstück“, kommentiert 'Il Manifesto‘: „Die Jahre also, in denen Italien in Äthiopien einfiel und in Albanien, in denen politisch Oppositionelle zu Zehntausenden interniert wurden und, wie etwa der PCI-Gründer Antonio Gramsei an den Folgen der erlittenen Qualen starben.“ Aufmerksamen Rückerinnerern mag der Craxi-Kurs bekannt vorkommen - er entspricht der Vorgabe, die die Ermittler 1981 bei der Aufdeckung der kriminellen Geheimloge „Propaganda 2“ (P2) im Hause des Logenmeisters und Antifaschisten Licio Gelli unter dem Namen „Projekt zur demokratischen Erneuerung“ feinsäuberlich aufnotiert fanden. Danach soll Italien, als erster Schritt, in eine Präsidialrepublik nach De Gaulleschem Muster umgewandelt, das Wahlgesetz so geändert werden, daß Kommunisten und nicht -rechte Oppositionsgruppierungen keine Chance mehr haben und ansonsten die noch recht unabhängige italienische Justiz an die kurze politische Leine gelegt werden. Punkte, die - wie etwa die Domestizierung der Justiz, bereits unter Craxis Amtsführung realisiert wurden oder, wie die Änderung des Wahlgesetzes und die Ausstattung des Präsidenten mit autoritären Vollmachten, von den Sozialisten in die Vereinbarung der derzeitigen Koalition unter dem Christdemokraten Andreotti eingerückt sind.

Weitere Signale in die „nostalgische“ Richtung sind die immer härteren Forderungen gegen Randgruppen - Craxi möchte mittlerweile nicht mehr nur Dealer, sondern auch schlicht Drogenabhängige einsperren - sowie die immer pompöseren Auftritte der Partei bei ihren Festen und Kongressen. Vorletztes Mal, 1987, saßen die Notablen unter einem griechischen Tempel, diesmal, im Mai 1989, unter dem Dach einer riesigen Pyramide. „Die nächste Etappe“, vermutet bissig ein Kommentar im Dritten Rundfunkprogramm der RAI, „könnte dann eine der neoklassistischen Monsterbauten des Duce selbst sein.“

Läuft die Entwicklung so weiter, dann sehen nicht nur linke Kritiker Craxis wie 'La Repubblica‘ die Gefahr einer wenigstens teilweisen Wiederholung der Geschichte der zwanziger Jahre: Auch Mussolini war zuerst Sozialist, bis er plötzlich die „nationale“ Komponente entdeckte und schließlich die faschistische Partei gründete.