Kaum ein Wort über Salman Rushdie

Die Frankfurter Buchmesse hat ihr Thema verfehlt / Gut getarnte Solidaritätsveranstaltung des Rusdie-Komitees abseits der eigentlichen Messe / „Was mir fehlt, ist das Selbstverständliche“ / Statt verlegerischem Engagement eine Spende an die „Writers in Prison“  ■  Von Arno Widmann

Frankfurt (taz) - Am Sonntag um 15 Uhr gab es endlich eine Solidaritätsveranstaltung für Salman Rushdie auf dem Gelände der Frankfurter Buchmesse. Wer glaubt, die etwa achtzig deutschen Verleger, die in den nächsten vierzehn Tagen Salman Rushdies Satanische Verse herausbringen werden, hätten dazu eingeladen, hegt noch Illusionen über diesen Verein.

Der Veranstalter war „The international Committee for the defense of Salman Rushdie and his publishers“. Sitz des Unternehmens, das auch den Solidaritätsaufruf der Autoren organisiert hatte, ist P.0.Box London SE1 1LX, United Kingdom.

Das Komitee hatte von London aus nichts vorbereiten können, man kam erst einen Tag vor der Veranstaltung auf die Messe, und dementsprechend war auch das Ereignis. Etwa hundert Leute waren gekommen, davon die Hälfte von der Sicherheit. Die Veranstaltung fand zwei Kilometer vom Ausstellungsgelände der Buchmesse entfernt statt. Bekannt besser unbekannt gemacht - wurde es durch handtellerkleine gelbe Zettel, die verteilt wurden. Neben den Mitgliedern des Rushdie-Komitees waren Bahman Nirumand, Gerhard Ruiss von der I.G. Autoren in Wien, Otto Schily, Klaus Wagenbach und der Chef der US-amerikanischen Buchhändlervereinigung mit von der Partie. Außerdem noch der Autor einer Broschüre, die im Ahriman-Verlag zu Rushdie erschienen ist.

Carmel Bedford, Komiteemitglied, trug eine Erklärung des britischen Dramatikers Arnold Wesker vor. Wesker meinte, Rushdie befände sich in einem „Gulag for one“ und stellte ihn in die Tradition des skeptischen Zweifels, den man im Judentum, Christentum und im Islam finde.

Gerhard Ruiss meinte: „Was mir fehlt, ist das Selbstverständliche, das nicht getan wird. Das Selbstverständliche ist, daß das Buch ausgestellt wird.“ Ruiss fand die Sicherheitsvorkehrungen beschämend und schlug den achtzig deutschen Verlegern der Satanischen Verse vor, Exemplare des Buches zur Verfügung zu stellen, so daß man sie bei der großen Buchausstellung in Wien vom 26. -31.Oktober zeigen könne. Das war der einzige praktische Vorschlag.

Bahman Nirumand sprach für den iranischen Schriftstellerverband im Exil. Er erklärte Rushdie „uneingeschränkte Solidarität“, machte dann freilich darauf aufmerksam, daß sich westliche Medien und Politiker nur sehr kurz empört aber sehr schnell wieder beruhigt hätten. Der Aufschrei angesichts des Mordaufrufs gegen Rushdie verlöre an Glaubwürdigkeit, wenn man bedenke, wieviel Greuel dieselben Leute seitens der „terroristischen Theokraten“ im Iran hingenommen hätten, um dann, als es gegen einen der ihren ging, plötzlich die Werte der europäischen Zivilisation auszugraben, die sie gegen ein paar Petrodollar bis dahin gerne verkauft hatten.

Der Vorsitzende der „American Bookseller Association“ berichtete, daß es etwa 200 Drohungen gegen Buchläden in den USA gegeben habe; aber auch zwei Anschläge und kleinere Demonstrationen in New York - friedlich aber bedrohend. Sein Vorschlag: Am Rande der SALT-Gespräche ein Treffen auf höchster Ebene, das dazu führen soll, daß seitens der iranischen Stellen der Mordbefehl zurückgenommen wird.

Otto Schily stellte klar, daß die in den Medien übliche Rede vom „Todesurteil gegen Salman Rushdie“ eine beschönigende, verschleiernde Redeweise sei. Man solle klar und deutlich vom „Mordbefehl“ reden.

Spannend wurde die Veranstaltung nach der Frage, warum sie versteckt stattfinde und warum keine Reklame gemacht wurde. Klaus Wagenbach sagte dazu, daß die Zettel an seinem Stand ausgelegt hätten und er sich für diese Veranstaltung zur Verfügung gestellt hat. Der naive Betrachter fragt sich, wo der Verlag Klaus Wagenbach wohl heute stünde, wenn der Verleger sich bei all seinen Autoren so vornehmer Zurückhaltung befleißigt hätte.

Man stelle sich den Aufschrei vor, wenn 'FAZ‘, 'Süddeutsche‘, 'Frankfurter Rundschau‘ und 'Welt‘ eine andere Anzeige von Bertelsmann, Kiepenheuer&Witsch oder Wagenbach abgelehnt hätten. Die Werbung für Salman Rushdie beschränkt sich derzeit auf eine Anzeige im 'Börsenblatt‘.

Trotzdem, so Wagenbach, seien 80.000 Exemplare vorbestellt, man werde das Buch also bald in jeder Buchhandlung kaufen können. Der Gewinn werde nicht etwa unter den beteiligten Verlagen aufgeteilt, sondern ginge an „Writers in Prison“. Nur Bösartige interpretieren dies als Feigenblatt für das Fehlen jedes verlegerischen Engagements.