Die Saar - oder wie ein Fluß zum Teich wird

Wasser- und Schiffahrtsamt forciert den Ausbau der Saar zwischen Dillingen und Saarbrücken / Bund Naturschutz wehrt sich gegen die Zerstörung des Biotops / Saarländische Landesregierung „begleitet den Ausbau positiv“ und fühlt sich an Verträge gebunden  ■  Von Joachim Weidemann

Saarbrücken (taz) - Die Saar dümpelt eher vor sich hin, als daß sie fließt. Die Kanalisierung raubt ihr die Kraft, der Aushub den Atem. Im Sommer schwammen viele Saarfische bäuchlings oben; sie waren erstickt. Das Sauerstoff-Schiff „Oxygenia“ pumpte mehrfach Luft ins Wasser. Künstliche Beatmung ohne Aussichten auf Gesundung. Der Saar geht es dreckig, und ihre Zukunft sieht noch düsterer aus. Diplom -Ingenieur Heinz-Georg Haenes vom Bund Naturschutz (BUND) fürchtet, daß der geplante Ausbau zwischen Dillingen und Saarbrücken dem Gewässer vollends den Garaus machen könnte. Der BUND will gegen die beabsichtigte Kanalisierung klagen, für die ein Verfahren zur Planfeststellung bereits vollzogen wurde. Saarlands Regierung hält sich bedeckt. Aus dem Wirtschaftsministerium erfuhr die taz, die SPD sei zwar gegen den Ausbau, doch „die Landesregierung wird das Projekt positiv begleiten“. Der Grund für dieses Wohlverhalten liegt in einem Verwaltungsabkommen, an das sich die Regierung Lafontaine gebunden fühlt.

Die Geschichte dieses Abkommens reicht weit zurück: Am 30.Mai 1973 beschloß die Bundesregierung, die Saar von St.Arnual bei Saarbrücken bis zur Moselmündung bei Konz „schiffbar zu machen“. Der Fluß sollte als Wasserstraße der Klasse IV Frachtverkehr anziehen. Gewünschter Nebeneffekt: Auch der Bahngüterverkehr würde billiger, da die Bundesbahn

-in Konkurrenz zur Saar - ihren Sondertarif anbieten müßte.

So besiegelte am 28.März 1974 das damals CDU-regierte, Kohle fördernde Saarland zusammen mit Rheinland-Pfalz und dem Bonner Verkehrsministerium den Saar-Ausbau. Veranschlagte Kosten damals: 870 Millionen Mark, die inzwischen nach oben korrigiert wurden. Bonn sicherte damals zu, zwei Drittel dieser Kosten zu tragen. Die Länder teilten sich ihr Drittel auf: Mainz übernahm 20, Saarbrücken 80 Prozent. Wenn Oskar Lafontaine, der anfangs für, später gegen den Saarausbau war, nun wieder Nein sagt, würde er das Verwaltungsabkommen verletzen. Die Folge davon laut Wirtschaftsministerium: Bonn und Mainz könnten bereits investierte Summen zurückfordern. Rheinland-Pfalz habe schon gedroht.

Der BUND dagegen bezweifelt, ob der Schaden, der der Saar jetzt droht, sich in Geld aufwiegen läßt. Schon jetzt herrschten in Teilen der Saar „stauseeähnliche Zustände“. Besonders gravierend sei dies am Ende einer jeden Staustufe, dem tiefsten Teil eines Saarabschnitts. Die Folge: Aufgrund der Schadstoffeinleitung und der geringen Strömung siedeln sich Algen an. „Im Sommer und Frühjahr kommt es zu einer Algenblüte“, so die Umweltorganisation. „Sterben die Algen, werden sie zersetzt. Das aber kostet den Fluß Sauerstoff“.

Bernd Kripzak, der beim Wasser- und Schiffahrtsamt Südwest für den Streckenausbau der Saar zuständig ist, bestätigt, daß die „Oxygenia“ im vergangenen Sommer häufig unterwegs war, um erste Hilfe zu leisten. Doch einen Zusammenhang mit dem Saarausbau sieht er nicht. Laut Behörde haben die Arbeiten an einem der letzten Abschnitte des Kanals bereits begonnen, und zwar in der Höhe von Saarlouis, zwischen Lisdorf und Wallersfangen. Bis nach Saarbrücken-Malstatt sei das Projekt gewährleistet, so Kripzak. Ob jedoch auch die Saar zwischen Malstatt und St.Arnual - also mitten durch Saarbrücken - ausgebaut wird, läßt er offen. Über diesen Teil des Verwaltungsabkommens redet gegenwärtig niemand gern. Die einen hoffen, „Saarbrücken steht nicht mehr zur Disposition“. Die anderen fürchten, die Stadt könnte „jahrlelang zu einer riesigen Baustelle werden“. Heinz-Georg Haenes will per Klage die Kanalisierung verhindern - und zwar für den gesamten letzten Abschnitt. Einer seiner Angriffspunkte: Bei Lisdorf soll ausgehobener Saarschlamm gelagert werden, ohne daß eine Genehmigung dafür bestehe. Der Schlamm enthält Schwermetalle und Zyanide, die man als Sondermüll behandeln müsse. Die Behörden hätten den Giftgehalt grob „auf fünf Prozent der Gesamtmasse“ geschätzt.

Haenes: „Das ist so, als würde ich Sondermüll mit normalem Müll vermischen und das Ganze dann auf einer Hausmülldemponie ablagern.“ Ähnliches wie in Lisdorf soll sich auch in Burbach ereignen. Dort allerdings soll mit dem Saarschlamm eine „Voralpenlandschaft“ (Haenes) aufgeschüttet werden: Wasser aus der Saar wird dann auf einen Hügel gepumpt und fließt als Bach in herrlichen Schleifen herunter. Dazu gibt's noch einen See - als landschaftlichen Ausgleich für den Kanal. Doch im Grunde wird es durch das Kanal-Projekt zwei Seen geben - und der eine, der heißt Saar.