Grönlandfahrern, Erbfischern

■ Eine Grohner Heimatkunde / Geschichte, auf dem Buckel der Wale ausgetragen

Es ist gestern, den 2. Aprilis 1670, nahe bei hiesiger Stadt, in einem Flusse, Lessum genannt, welcher ein Arm aus der Weser ist, ein Wallfisch, dessen Länge 29 Fuss ist (ca. 9 m) geschossen und heute vor die Stadt (Bremen)gebracht worden. Alles Stadt-Volck läufft dahin, selbigen zu sehen. Es ist ein Weiblein und soll diesen Winter über viele Laxe aus der Weser gefressen haben. Das Männlein hierzu ist auff der Nähe, welches fleissig auffgesucht wird.

Der Bericht aus dem „Nordischen Mercurius“ spricht ein Bremer Großereignis an, das vom Rembrandtschüler Franz Wulfenhagen auf 4 mal 6 Meter Öl festgehalten und lange Zeit im Rathaus aufgehängt war. Geschossen hatte man den Seesäuger auf Grohner Gebiet, und um Grohn und Wale und Fischerei und Schiffe geht es in einem neuen Geschichten-und Geschichtchenbuch von Robert Lamken, einem umtriebigen Frühpensionisten und Archivstöberer, der eine schmucke kleine Grohner Heimatkunde vorlegt. Lamkens Perspektive will die der kleinen Leute sein: „Die Veränderungen der Landschaft und die Auswirkungen auf die Menschen sollen hier ... dargestellt werden. Hier

ist nicht nur von Kaisern und Königen die Rede, sondern vom dauernden Überlebenskampf der einfachen Menschen.“ Die Unterweser war vor der Kanalisierung durch Franzius ein unwägbarer Fluß, der sich immer wieder neue Betten suchte. So kündet noch der Name „Aumund“ (Ochtummund) von ganz anderen als den heutigen Weserverhältnissen, auch Grohn lag noch vor 100 Jahren an der Weser.

Neben den „Meiern“, den Gutsherrn vielfältig verpflichteten Pächtern von Höfen bestimmte das Wasser das Dorfleben. Lamken stellt die „Erbfischer“ vor in ihrem jahrhundertelangen Kampf um Fangrechte und berichtet von der schlimmen Weserverseucheng mit Fischsterben in den Neunzigern des letzten Jahrhunderts; die Blumenthaler Wollkämmerei hatte ihren Betrieb aufgenommen, und bis Rechtenfleth und Hammelwarden blieben die Netze der Fischer leer. Neben den Schiffbauern und den Kahnschiffern stellt Lamken detailliert und episodenreich die Grönlandfahrer vor, die irgendwann im 18. Jahrhundert von Grohn aus auf „Grönlandfahrt“ gingen; „Grönland“ hieß damals das ganze Nordmeer zwischen

der grönländischen Ostküste und Nowaja Semlja, der russischen Lemminginsel. Das Schicksal des Walfängers „Roland“ untersuchte Robert Lamken im einzelnen anhand von Archivunterlagen und Akten einer Seegerichtsverhandlung. Die erste Nordmeerreise z.B. brachte keinen Wal, nur 36 Robben. Bei der zweiten Reise fing man 7 Wale, der begehrte „Thran“ (500 Tonnen) wurde zur Herstellung von Salben verwendet. Am 14. September erlebte die „Roland“, eine Dreimast-Fregatte, eine schlimme Havarie durch Sturm, die Verhandlungsprotokolle lesen sich spannend wie ein Seefahrerroman; die durch „Bleywurf“ er

mittelte Wassertiefe nimmt immer mehr ab, bis 7 Faden, Anker und Reserveanker gehen verloren, Fock-und Besanmast müssen gekappt werden u.s.f. Die Verhandlung sollte dann die Frage der Bergungskosten klären.

Wer nicht so wild auf Schiffe ist, kann sich über die Geschichte Grohner Kapitäne, Kirchen, Schulen oder Vereine informieren, auf 248 Seiten findet sich viel Spannendes und Unterhaltsames, die Reproduktionen alter Fotos sind überwiegend gut geraten. (Robert Lamken, Geschichtliches aus Grohn und Bremen-Nord. Vom Schifferort zum Industriestandort. Hauschild, 36 DM)

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