Weihnachtscrash?

US-Ökonom und Sektenmitglied Ravi Batra sieht den endgültigen Zusammenbruch der Börse herannahen  ■ Das Buch zur Krise

Ein norddeutscher Börsenmakler brachte es gestern auf den Punkt: Nach den Turbulenzen der letzten Tage sehe der Kleinaktionär aus „wie ein gerupfter Hahn“. Er verkaufte, als die Kurse stürzten, also zu spät, und kaufte wieder, als sie angezogen hatten, also wieder zu spät. Aber wie geht es weiter? Kommen jetzt wieder zwei Jahre Höhenflug, oder war der gedämpfte Crash vom Wochenende nur ein Vorgewitter?

Es wäre doch gelacht, wenn es unter den zahlreichen Crash -Literaten der letzten Zeit nicht jemand gäbe, der den Untergang des Systems nicht wenigstens ungefähr für diese Tage vorausgesehen hätte. Genau das meint der US-Ökonom Ravi Batra. Er rechnet mit dem endgültigen Crash, der den von 1987 weit in den Schatten stellen wird, noch in diesem Jahr, spätestens aber Anfang 1990.

Dann werden in den USA Börsen und Banken zusammenbrechen. Das Steueraufkommen wird sinken, der Staatshaushalt, zunächst in den USA, wird hoffnungslos defizitär. Aber auch Europa und Japan geraten in den Strudel: Der Welthandel kommt mit quietschenden Bremsen zum Stehen, weil der große Nachfrager USA nicht mehr wie gewohnt auf der ganzen Welt einkaufen kann.

Autor Batra ist Wirtschaftsprofessor an der Southern Methodist University in Dallas. Sein methodischer Ziehvater ist jedoch der indische Gelehrt Rajan Shakar, Führer eines Kults mit dem Namen „Pfad der Glückseligkeit“, bekannt für seinen starren Determinismus. Von Batra auf die Wirtschaftswissenschaft übertragen, heißt das: Alle dreißig, ganz bestimmt aber alle sechzig Jahre knallt es in der Weltwirtschaft. Eben: Der „Schwarze Freitag“ von 1929 ist just 60 Jahre her.

Der Bremer Ökonom Rudolf Hickel, Sprecher der „Memorandum -Gruppe“, hält nicht viel von dieser Crash-Prophetie. Der Derterminismus Batras ist für Hickel antiquiert. Die Steuerungsmöglichkeiten staatlicher Wirtschaftspolitik, so der Wirtschaftsprofessor, seien flexibler und differenzierter geworden.

Doch die „gerupften Hähne“ lassen die verbliebenen Federn hängen. Zu diesem Thema ein Provinzbanker der alten Schule: Heinrich Frick, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse in Bremen. Frick hat mit seiner risikofreudigen Kundschaft wenig Mitleid: „Was ist daran so schlimm, wenn wohlhabende Leute ihr überflüssiges Geld in Aktien anlegen, und die sinken dann im Kurs? Die Anteile an den Unternehmen bleiben die gleichen.“ Heute und in den nächsten Jahren immer stärker drängt ein neuer Anlegertyp aufs Börsenparkett: der fröhliche und risikofreudige Erbe. Die Nachkriegsväter, die Eigentum geschaffen haben, überlassen es qua Heimgang den heute 30- bis 50jährigen, und die neigen zum Spekulieren. Frick: „Alle Banken merken zur Zeit, daß die traditionellen Sparformen zurückgehen, und daß die Erben stärker in Aktien gehen.“

Der aufgeblähte „Börsenballon“, chronisch überhöhte Aktienkurse, für Batra ein Grundübel, wird also weiter steigen. Damit wir uns beim Absturz nicht den Hals brechen, gibt Batra uns jede Menge Tips: Einen Job im Reparaturgeschäft suchen, im Gebrauchtwarenhandel oder gar im Pfandhaus, denn das sind die Branchen, die an der Massenarmut der kommenden Jahre am besten verdienen. Unters Kopfkissen sollten wir uns Bargeld und Reisechecks legen für die erste Not nach dem großen Crash.

mw

Ravi Batra: Die große Rezession von 1990 Überlebensstrategien. Heyne Verlag München, 318 Seiten, 16,80 Mark