Zum Beispiel: Irmgard Möller

Die RAF-Gefangene sitzt von allen politischen Gefangenen am längsten in deutschen Knästen Als Einzige überlebte sie die Nacht zum 18. Oktober 1977 im Hochsicherheitsknast Stuttgart-Stammheim  ■ P O R T R A I T

Berlin (taz) - Zur Aktion „Woche der politischen Gefangenen“ der Gefangenenhilfsorganisation amnesty international (ai), heute ein Porträt der RAF-Gefangenen Irmgard Möller.

Gestern jährte sich zum zwölften Mal ein Tag, an den sich heute niemand mehr erinnern will. Der Tag bedeutet dennoch eine tiefe Zäsur in der Geschichte der Bundesrepublik. Am Morgen des 18. Oktober 1977 lagen die führenden Mitglieder der ersten RAF-Generation, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, tot in ihren Zellen in Stuttgart Stammheim. Irmgard Möller, die damals von den Behörden ebenfalls dem „harten Kern“ der Roten Armee Fraktion (RAF) zugerechnet wurde, hatte zusammen mit den drei Gefangenen im siebten Stock von Stuttgart-Stammheim gesessen. Sie überlebte als Einzige die Nacht, deren Geschehen letztlich bis heute ungeklärt geblieben ist.

Von Anfang an widersprach die frühere Studentin Irmgard Möller der offiziellen Darstellung der Behörden, die RAF -Mitglieder hätten Selbstmord begangen. Bis heute hat sie ihre Version, wonach sie selbst von Unbekannten durch mehrere Messerstiche im Schlaf schwer verletzt wurde, nie revidiert. Nach offizieller Geschichtsschreibung hat sich die Gefangene die Verletzungen selbst zugefügt.

Von allen Gefangenen aus der RAF sitzt Irmgard Möller am längsten: Ununterbrochen seit über 17 Jahren, die längste Zeit unter Isolationsbedingungen. Am 8. Juli 1972 wurde sie zusammen mit Klaus Jünschke in Offenbach festgenommen. Heute ist die 42jährige in Lübeck zusammen mit Christine Kuby, Hanna Krabbe und nach dem letzten Hungerstreik auch mit Gabriele Rollnik inhaftiert.

„Es gibt mit Sicherheit keine Frau, die in der Bundesrepublik das durchzumachen hatte, was sie durchmachte“, sagte Jünschke unmittelbar nach seiner Freilassung im letzten Jahr über die Inhaftierte. Irmgard Möller, die zum Führungskader der RAF gehört haben soll, wurde zunächst 1976 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu viereinhalb Jahren verurteilt. Ein „Kronzeuge“ der Bundesanwaltschaft bezichtigte sie später, im Mai 1972 an einem Anschlag auf das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Heidelberg beteiltigt gewesen zu sein, bei dem drei Menschen starben und zahlreiche verletzt wurden. Das Urteil lautete auf lebenslänglich.

Irmgard Möller blieb während ihrer Haft lange Zeit von anderen Gefangenen abgeschottet. Gerichtsgutachter forderten die Aufhebung der Isolation, da ansonsten „nicht wieder gutzumachende Störungen der Gesundheit zu erwarten seien“. Zeitweise klagte sie über Seh- und Konzentrationsstörungen, Ohrenrauschen und Schlafsucht. Nach neueren Informationen sollen diese Beschwerden als Folge der Isolationshaft noch immer bestehen. Die Gefangene beteiligte sich an zahlreichen Hungerstreiks der politischen Gefangenen, die auf eine Zusammenlegung in Großgruppen zielte. Bis heute ohne Erfolg.