Rödeln gegen die Wohnungsnot

■ SPD fordert Dringlichkeitsprogramm für Bundesdeutsche - und Notunterkünfte für den Rest / Gerda Hasselfeldt will eine Million Wohnungen in drei Jahren

Bonn (ap) - Die SPD hat ein Dringlichkeitsprogramm gegen die Wohnungsnot gefordert und der Bundesregierung vorgeworfen, eine „katastrophale Entwicklung“ verschuldet zu haben. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion Roth sagte gestern in Bonn, wenn die Koalition auf den Zustrom von Aus und Übersiedlern verweise, sei das eine „Täuschung der Öffentlichkeit“. Durch eine „Sofortaktion mit Hilfsbauweise“ würden die Probleme nicht behoben.

Nach Angaben der SPD fehlten schon vor dem Ansteigen der Übersiedlerzahlen rund 400.000 Wohnungen. Die Aus- und Übersiedler dürften nicht auf dem Wohnungsmarkt bevorzugt werden, sondern müßten zunächst einmal in Not- und Behelfsunterkünfte ziehen. Der SPD-Obmann im Bauausschuß, Franz Müntefering, warf der Koalition „Aktionismus“ vor und forderte ein zunächst auf fünf Jahre angelegtes Dringlichkeitsprogramm. Danach müsse unter anderem die Zahl der fertiggestellten Wohnungen, die 1988 auf 208.000 zurückgegangen sei, auf 350.000 dauerhaft nutzbare Einheiten pro Jahr gesteigert werden. Weiter soll der soziale Wohnungsbau auf mindestens 100.000 Wohnungen in etwa verdoppelt werden. Nach Münteferings Angaben würde das Dringlichkeitsprogramm den Bund pro Jahr drei bis 3,5 Milliarden Mark kosten. Er räumt ein, daß ein Wohnungsbauprogramm zu Preissteigerungen auf dem Baumarkt führen könne. Die SPD nehme das aber in Kauf: „Wir wollen, daß Wohnungen gebaut werden.“ Allerdings dürften keine neuen Trabantenstädte entstehen. Roth fügte hinzu: „Wir wollen keinen Primitivwohnungsbau mit ökologischen und anderen Sünden.“ Bundesbauministerin Gerda Hasselfeldt erklärte unterdessen, in drei Jahren müßten eine Million neue Wohnungen gebaut werden. Das sei allerdings „nicht von heute auf morgen zu erreichen“. Deshalb suchten Koalition und Union zur Zeit nach zusätzlichen Möglichkeiten, das Baurecht zu vereinfachen und weitere Finanzmittel bereitzustellen. Es gelte, kurzfristige Akzente zu setzen. Der verstärkte Einsatz der Fertigbauweise sei dabei nur ein Weg.

In diesem Zusammenhang wandte sich der Geschäftsführer des Bundesverbandes für Fertigbau, Dirk-Uwe Klaas, gegen jede Form „abgespeckter Lösungen“. Klaas macht sich Sorgen um das Image seiner Branche, wenn jetzt Baracken, Hütten und Container gebaut würden, die in fünf Jahren auseinanderfallen. Bis Ende 1990 könnten Fertigbaufirmen höchstens 20.000 Ein- und Zweifamilienhäuser in der Bundesrepublik errichten und damit ihre Kapazität aus dem Jahr 1988 verdoppeln, meinte Klaas. Das sei allerdings angesichts der durch Aus- und Übersiedler verstärkten Wohnungsnot nur „ein Tropfen auf den heißen Stein“. Der Bundesregierung warf der Bau-Mann Aktionismus vor. Statt jeden Monat ein neues Aktionsprogramm nachzuschieben, solle die Bundesregierung ein nationales Notprogramm ausrufen oder die Menschen ohne Unterkunft in freistehende Ferienwohnungen nach Mallorca schicken. Vielleicht kommen sie ja von selber drauf.