Voller Wunder - Fußballstadion

■ Männermenschenmengen, La-Ola-Wellen und Kemper-Tricks beim Werder-Sieg über Austria Wien

Natürlich war es mir ein schauriges Vergnügen, sie alle um mich herum zu sehen, diese Wohlstandsversehrten, bewegungsunfähig gefressene Exemplare deutscher Männlichkeit, wie sie da sitzen mit ihren schwarzrotgoldenen Tressen an den grün-weißen

Schals, lauter große Sachverständige, die kreischen, die Mitspieler (die mit den grün verschlammten Trikots) beschimpfen „gib doch raus, du Penner“ und die Gegner (die in weiß) anfauchen „steh auf!!!“, da gehen die Warnsirenen an (Vorsicht! Aktivierte Aggressionsbereitschaft), jetzt bloß nicht lächeln, nichts Auffälliges tun, die Augen niederschlagen, den Kopf zwischen die Schultern und still, was kein Kunststück - ich bin ja gar nicht aus Bremen. Aber das habe ich wissen müssen, es ist schließlich nicht mein erstes Mal.

Und plötzlich stehen sie alle auf, und ich denke, was ist denn nun passiert. Alle Augen drehen sich links ein, die Köpfe, mit dem Schniepel der senfigen Bockwurst zwischen den Zähnen, drehen sich mit, und das Rätsel klärt sich nicht, die Nachbarn haben sich längst wieder gesetzt. Dann drehen sich die Köpfe nach rechts, wieder Aufstehen, Hinsetzen, Kopf nach links - es ist die Welle, in Mexiko anno 86 abgekuckt und nun endlich bis nach Bremen gewandert. Herzlich Willkommen.

Auch gewußt habe ich, daß es schlicht und einfach vorbei ist mit dem Fußball. Zumindest mit dem zum Anschaun in diesem Land. Selbst bei solch einem grandiosen Sieg, selbst bei fünf gefallenen

Toren, von denen immerhin zweieinhalb schön anzuschauen waren, die Langeweile will nicht so recht vergehen. Die Verhallenhandballisierung der Kickerei - immer schön sicher den Ball um die Abwehr herumspielen und nur ja nichts Aufregendes riskieren, der Trainer könnte einer Herzattacke erliegen - schläfert einfach ein und dann kriegt man die Handvoll brillianter Anspiele an den Kreis nur noch in Halb -Trance mit. Schade drum. Beim Hallenhandball hat man ja extra das Feld so klein gemacht, daß der schnelle

Wechsel für ständigen Suspense sorgt, aber auf dem großen Fußballfeld dauert das und dauert, bis endlich so ein Rückraumspieler mal auf das Tor zugeht oder gar mit einem verdeckten Anspiel seinen Kreisläufer sucht. Es sind aber dennoch schöne Momente, wenn ein Zusammenspiel endlich stattfindet, und wenn dann ein Riedle mit einem quasi Kemper -Trick (die Vollendung handballerischer Kombinatorik) den Ball ins Tor streicht, da mag man sich auf ein nächstes Mal freuen.

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