Der Schulsenat im Klassenkampf

■ Senat will Zuschüsse für Personal an Privatschulen kürzen / Kinder von sozial schwachen Eltern sind benachteiligt

„Man ersetze die Zahl 100 von 100 durch die Zahl 90 von 100“ - so steht es im Rohentwurf zur Änderung des Privatschulgesetzes. Ein Satz, der nicht wenige Eltern der 11.550 Berliner Kinder, die an öffentlichen Schulen mit privaten Trägern unterrichtet werden, nach AL-orangener Euphorie auf den Boden schulpolitischer Realitäten zurückholen wird.

Dabei stand alles schon in den Koalitionsvereinbarungen. Ziel sei es, eine Demokratisierung der Schulen zu erreichen, reformpädagogische Ansätze zu stärken und die Initiative der am Schulleben Beteiligten zu fördern. Im Kleingedruckten findet sich die Absicht, bei den Ausgaben für Privatschulen

-derzeit über 70 Millionen DM jährlich - zu sparen. Konkret ist vorgesehen, die Personalkosten beim diesjährigen Stand einzufrieren. Bis zum 1.1.93 soll Gleichheit auf dem niedrigen Niveau vollends durchgesetzt werden. Dann müssen Gesamtschulen, Internats- und Waldorfschulen, die derzeit mit bis zu 100 Prozent unterstützt werden, sich ebenfalls mit den 90 Prozent zufriedengeben. Private Sonderschulen sollen weiterhin die 100prozentige Förderung der Personalkosten erhalten.

Begleitet wurde das Novellierungsvorhaben laut 'Tagesspiegel‘ in der letzten Woche durch einen Vorstoß des schulpolitischen Sprechers der SPD, Schürmann. Er rüttelte kräftig an der von ihm entdeckten Hintertür zu einer neuen Form der Elitebildung bei den Privatschulen. Daß diese Tür durch das Novellierungsvorhaben wirklich entstehen könnte, da wollten ihm die Verantwortlichen der Dahlemer Rudolf -Steiner-Schule nicht widersprechen. Sie rechneten vor, daß die durchschnittliche Elternbeteiligung pro Kind und Monat um 60 DM auf 220 DM steigen würde. An Waldorfschulen ist es üblich, daß die Eltern ihre Schulbeiträge selbst bestimmen. Mit den höheren Beiträgen ist der Elternsolidarität eine enge Grenze gesetzt, vor allem bei niedrigen Einkommen. Sollte es zu den Kürzungen kommen, „bleibt uns nur der Weg zu den Gerichten“, heißt es in der Schule. Man könne dann die gesetzliche Forderung, keine „Sondierung nach den Besitzverhältnissen“ der Eltern vorzunehmen, nicht mehr erfüllen.

Die Juristen im Schulsenat sehen der Ankündigung, juristische Schritte einzuleiten, gelassen entgegen. Sie verweisen auf Urteile des Bundesverfassungsgerichtes, in denen lediglich verlangt wird, daß Privatschulen durch das Finanzgebaren des Staates nicht zur Schließung gezwungen werden dürfen, und das sei bei dem gegenwärtigen Rohentwurf kaum der Fall. Ein Sprecher der Schulverwaltung betonte, die Kürzungen hätten keinen ideologischen Hintergrund, sie seien aufgrund der schlechten Kassenlage notwendig geworden.

Anders der schulpolitische AL-Sprecher Dieter Telge: Auf der einen Seite sieht er viele für seine Partei wichtige reformpädagogische Ansätze im privaten Bereich, zum Beispiel bei den freien Schulen und den Waldorfschulen. Auf der anderen Seite bedauert er, daß gerade in der Waldorfschule in Kreuzberg kaum Behinderte, Ausländerkinder und sozial Schwache integriert würden. Und solange die Waldorfschule sich da nicht öffne, sei es unumgänglich, daß man dort Gelder abzwacke. Auf die Frage, ob er Belege für seine Aussagen habe, sagte er, er sei in Kreuzberg gewesen und habe das vom Augenschein her so wahrgenommen. Eltern der betroffenen Schüler sind da allerdings ganz anderer Meinung.

Peter Huth/taz