Hochverrat durch Lord Mountbatten?

■ Der Onkel der britischen Königin und letzte König von Indien soll für die Sowjets gearbeitet haben / Buch vom Markt genommen

Die Behauptung klingt ungeheuerlich: Lord Louis Mountbatten, ein Onkel der britischen Königin, habe Geheimnachrichten an die Sowjetunion weitergereicht und sei gleichzeitig ein Feind der USA gewesen.

So jedenfalls beschreibt es der ehemalige 'Sunday Times' -Journalist Donald McCormick in seinem neuen Buch The Greatest Treason (Der größte Verrat). McCormick, der sein Buch unter dem Pseudonym „Richard Deacon“ veröffentlicht hat, zitiert einen CIA-Agenten, der angeblich anonym bleiben wollte: „Wir konnten nie verstehen, wie Mountbatten, bekanntermaßen ein Homosexueller und daher ein Sicherheitsrisiko, in eine so wichtige Position befördert werden konnte.“

Mountbatten, der letzte Vizekönig von Indien, wurde 1979 von der Irisch-Republikanischen Armee (IRA) vor der irischen Westküste mit seinem Boot in die Luft gesprengt. Nun behauptet McCormick, Mountbatten habe Mitte der fünfziger Jahre einen Brief an den sowjetischen Verteidigungsminister geschickt, in dem er versichert habe, daß er die US -amerikanische Außenpolitik ablehne und im Falle von US -Aggressionen auf Seiten der UdSSR stehe.

Den Inhalt dieses Briefes hat McCormick sich angeblich von einem britischen Marineattache bestätigen lassen. Dieser Zeuge sei inzwischen jedoch gestorben. Um herauszufinden, ob Mountbatten tatsächlich Informationen an die Sowjetunion weitergebe, habe ihm die britische Regierung eine Falle gestellt, sagt McCormick. Mountbatten seien die Namen von sowjetischen Generälen mitgeteilt worden, die vorgeblich für die chinesische Rote Armee spioniert hätten. Kurze Zeit später seien diese Generäle verschwunden oder unter mysteriösen Umständen gestorben.

Philip Ziegler, der „offizielle“ Biograph des Lords, nannte McCormicks Behauptungen „geisteskrank und unwahr“. Zwar habe Mountbatten homosexuelle Freunde gehabt, dennoch gebe es keinerlei Beweise, daß er selbst homosexuell gewesen sei.

Auch die USA-Gegnerschaft halte er nicht für erwiesen. „Wegen seiner Verbindungen mit dem russischen Zarenhaus liebte er natürlich Rußland“, erklärte Ziegler, „doch deshalb lag seine politische Loyalität noch lange nicht bei den Sowjets.“ McCormicks Verdacht, daß die UdSSR hinter dem IRA-Attentat auf Mountbatten stecke, weil den Sowjets die Zusammenarbeit mit Mountbatten peinlich gewesen sei, bezeichnete Ziegler als „ziemlich lächerlich“. Schützenhilfe erhielt Ziegler von dem Historiker John Costello, der McCormick vorwarf, keine Quellen anzugeben. So blieben sämtliche in der Publikation The Greatest Treason unüberprüfbar.

Nach jüngsten Informationen ist das Buch inzwischen vom Markt genommen worden, weil „verleumderische Seiten“ aus dem Werk eliminiert werden müßten, wie der Verlag in London angab. Im Februar 1990 soll eine bereinigte Fassung neu erscheinen.

Ralf Sotscheck

Richard Deacon, The Greatest Treason, Century Publications, London, 1989, 256 Seiten, £ 12.95.